Almwanderung

Oben auf der Alm angekommen, macht sich zum ersten Mal eine allgemeine Erschöpfung breit. Herr Nipp und seine Mitwanderer nehmen die einzige Bank mit Tisch in Beschlag. Aus massiver Lärche gebaut, wahrscheinlich beim letzten Holzeinschlag. Die Oberflächen sind grob mit der Kettensäge geglättet. Immerhin, es reicht, um eine ausgiebige Pause zu machen. Außerdem ist man so nicht versucht, mit einem Taschenmesser oder einem Nagel, der sich vielleicht zufällig in einer der vielen Taschen im Rucksack findet, den Namen oder irgendeinen anderen Spruch in die Oberfläche zu ritzen.

Er schließt die Augen und lässt sich ein laues Lüftchen um die Nase wehen. Man darf diese Anstiege nicht unterschätzen, oft steht in den Hängen die heiße Luft und trocknet den Körper ganz ungemerkt aus. Alle Feuchtigkeit, von der Haut produziert, hat gar keine Chance auf der Haut zu stehen, verdunstet sofort und hinterlässt auf dem schwarzen Shirt einen weißen Rand. Der geübte Wanderer trinkt während seiner Touren regelmäßig, auch wenn er keinen Durst zu haben scheint. Lieber zu viel Wasser trinken, als einfach umzukippen. Außerdem finden sich auf den Wegen im Tierser und Tschamintal unglaublich viel Brunnen und Quellen, aus denen man bedenkenlos Wasser entnehmen kann. Nach ganz kurzer Zeit kann man sie sogar geschmacklich recht genau zuordnen.

Nebenan hört Herr Nipp dieses einmalige kehlige Lachen, das nur einige Südtirolerinnen beherrschen (Das schönste vielleicht von Katharina auf Velsegg – übrigens sehr zu empfehlen, dort nach einer Wanderung zu essen. Einfach und nicht in Unmengen, aber dafür wahre Geschmacksexplosionen und – enthüllungen. Der Koch dort ist ein Meister seines Faches. Da gibt es dann vielleicht eine Rehkeule auf Zuckererbsenrisotto, vorher das typische Schüttelbrot mit Olivenöl, Fleur de Sel, Kräuterquark oder Vulkansalz bestreuter Ziegenbutter. Zum Nachtisch dann Halbgefrorenes und selbst gemacht Pralinen – Süßtirol. Wer hier noch an der Welt leidet, der hat ein anderes Problem.) Der Rückweg wird von den Gedanken an das Kommende, an das Essen getragen. Hunger, nein, riesiger Appetit. Wandern ist anstrengend und braucht einen körperlichen Ausgleich. Tatsächlich hat es Herr Nipp noch nie geschafft, in Südtirol abzunehmen, obwohl er immer riesige Strecken wandert. Die Sinne sind getrieben von den Gedanken. Da fallen dann auch die tausenden kleinen Orchideen und Lilien, die Insekten auf den Wiesen, im Wald schon fast gar nicht mehr auf.

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