Dieser Garten
- Aus der Wohnung heraus
Aus dieser Wohnung auf die Terrasse treten, dem Chaos entfliehen, das sich in den letzten Wochen angehäuft hatte. Den Kleidungsstücken, achtlos über die Stühle und Sessel geworfen, vergessen in die Schränke zu verfrachten, ganz ordentlich, wie es sich gehört. Den Büchern, die überall herumliegen und den Zeitungen, die noch nicht gelesen sind, den Zeichnungen, die sich zwischen all dem ihren Platz behaupten müssen, die leicht zerknittert werden können, weil sie auf sehr dünnem Papier entstanden sind. Den Stiften und Aquarellfarben, die sich kreuz und quer über die Räume verteilen, der Zettelwirtschaft, die alles miteinander verbindet, die Rechnungen und Belege, die undefinierbaren Notizen, die auf den ersten Blick keinen Sinn ergeben können und wollen, auf den zweiten Blick auch nicht. Dem Papier überall, dass irgendwann dann wahrscheinlich als Anzündematerial im Kamin verschwinden wird oder in der Papiertonne, die schon viel zu lange völlig angefüllt in ihrer Nische steht und nur darauf wartet, endlich geleert zu werden. Also doch die thermische Entsorgung irgendwann. Den Schallplatten auch, die täglich gebraucht werden, weil es ohne Musik nicht geht, weil das Drehen der schwarzen Scheiben beruhigt, weil die Töne etwas anstoßen, das etwas auslöst, einen Gedanken vielleicht, oder die Idee zu einem Rezept. Den Töpfen auf dem Herd und der geschmiedeten Pfanne natürlich, in der sich noch einige Krümel des mit Olivenöl, Rosmarin und Knoblauch gerösteten Brotes von gestern abends befinden, die immer wieder ihren Duft verbreiten können, sobald ein Lufthauch darüber streicht. Dem Aquarium mit den vielen Kleinstfischen, von der alten Guppydame in den letzten Wochen in die Welt hinausgeschleudert, den Wasserpflanzen, deren Gewucher nur zu stoppen ist, wenn sie abgeknipst und sie entfernt werden.
- Über die Terrasse
Die Terrasse mit ihren selbst zusammengebauten Möbeln aus dickem Eichenholz, eine ehemalige Kneipentheke, die nun als Bank genutzt wird, all die Töpfe dort und das mal wieder vergessene Leergut. Die leeren Töpfe und die bepflanzten, mit selbst gezogenen Esskastanienbäumchen, die nach und nach verschenkt werden. Den Feigenbäumen aus den Stecklingen, die im Winter abgeschnitten wurden. Den Walnüssen, jeden Tag ausgelegt für die Eichhörnchen, die täglich herumkommen, schauen, ob es was gibt und sich die besten Stücke heraussuchen. Hoffentlich werden sie damit die ganze Umgebung verwalnussen. Juglansifizierung höre ich den Baumschuler sagen, du musst auch mal die Fachbegriffe verwenden. Dem Außenaquarium, das auf der Abdeckung unseres Wasserspeichers steht, in welches irgendwelche Molche ihre Eier gelegt haben, in dem nun Larven leben, gut geschützt denkt man, wenn da nicht die drei Rückenschwimmer wären, die sicherlich danach trachten, eine von ihnen zu erwischen. Dem weißen Schrank mit den Gartenwerkzeugen, den Handschuhen im obersten Fach links, der Kiste mit Honiggläsern voller Pflanzensamen, die irgendwann gesammelt irgendwann ausgebracht zu werden trachten. Alles in Wartestellung, die Wohnung, die Terrasse.
3. Dieser Garten
Mit seinen Blumen
rot, weiß, rosa, gelb und blau
sogar grüne Blüten gibt es da
den Düften und Gerüchen
die von ihnen ausgehen
mal penetrant, mal süßlich
mal herb, mal abenteuerlich
mal moderig
und einige haben gar keinen Duft
Die Steine überall
zu Mauern gehäuft
lose dem Teich belagernd
ihre Wärme im Sonnenlicht
die auch nachts noch da ist
ihre irisierenden oder stumpfen Farben
unter ihnen tausende Tiere
Die Haufen und Komposter
an jeder Ecke
unter denen das Leben tobt
die Jagd auf kleine Insekten
Spitzmäuse finden hier alles
Springschwänze und Kellerasseln
Würmer und Schnecken
ein Festmahl über das Jahr
Düngerlieferanten
Humuslieferanten
Verweser
Kohlenstoffsenker
Der Teich
mal eben dahingeworfen
aus einer Tageslaune heraus
in dem das Leben brodelt
Molche, Froschkaulquappen
Wasserläufer und Rückenschwimmer
Schnecken und Süßwassergarnelen
Schwimmpflanzen, Seerosen
Froschlöffel und Schwertlilien
und wie sie alle heißen
andere wissen das besser
Die Bäume
Apfel und Quitte
Walnuss natürlich
die riesige
ein Ginko, geschenkt bekommen
der sich erst noch finden muss
die Kirsche
dieses Jahr mit Schrotschusskrankheit
die vollbehangenen Pflaumenbäume
unter denen sich immer im Sommer liegen lässt
dösen, schlafen, lesen
auf dem breiten Liegestuhl für zwei oder drei
aus Holzresten gezimmert
die von anderen Projekten übrig
ihr Schatten, der Kühlung bringt im Sommer
und gute Luft
in denen die Vögel ihre Spiele spielen
singen, schwatzen, krakeelen
leben und sterben überall
Die Insekten, die sich tummeln
manchmal zumindest noch
wenige sind es geworden
die Hummeln, Bienen, Wespen
die Fliegen, Wanzen und Mücken
manchmal eine große Libelle über der Teich
ganz selten ein Schmetterling
Fuchs, Admiral, Tagpfauenauge
im Frühling war ein Aurorafalter da
Die Wiese, die einmal ein Rasen war
die nicht mehr gemähte
eine Zumutung natürlich
so ein verwilderter Garten
in dem nicht jede Woche gemäht
in dem nicht jeder Busch akkurat geschnitten
in dem sich die Pflanzen behaupten müssen
Die Hochbeete
in denen Gemüse wachsen sollte
in denen Stauden wachsen
Mohn auch
und Kornblume, Kornrade
und plötzlichen tauchen Pflanzen auf
die neu sind
die man nicht kennt
Dieser Garten
eine Zumutung für alle
Ordentlichen
die Baumarkthörigen
Die Igelschredderbesitzer
die Doppelstegzauneinzäuner
die Katze besucht uns regelmäßig
Dieser Garten
unser Paradies