tote Stadt

Dabei ist es noch gar nicht so spät. Es wird gerade mal acht, als er durch die Stadt läuft, die Schaufenster noch hell erleuchtet. Natürlich. Egal ob Energiekrise oder nicht, egal ob Erderwärmung, egal ob was auch immer. Die Reklame muss da sein, ob nun jemand durch die Stadt läuft oder nicht. In diesem Fall ist es eben Herr Nipp, der an den Schaufenstern vorbei eilt. Er hat an keinem der ausgestellten Produkte irgendein Interesse. Er war kurz bei seiner Bank, einer Sparkasse, um genau zu sein, und hat seine Schulden bezahlt. Finanzamt, Autoschrauber und der Schwarzgolddealer. Egal wieviel Geld er hat, eine Schallplatte sollte immer drin sein. Fehlkäufe inklusive. Ansonsten aber geht da niemand herum, es ist kalt und die Menschen sind wohl froh, dass sie drinnen hocken. Vor dem Fernseher oder Computer. Und er ist froh, dass ihm niemand über den Weg läuft. Dass da niemand ist, der mit ihm reden will, ihn anspricht, was sonst so oft passiert. Das Konto im Minus, da braucht er frische Luft in der Lunge und um den Kopf, da braucht er keine Gespräche, außerdem hatte er heute eine heftige Auseinandersetzung mit seinem Vorgesetzten, das reicht. Manchmal ist Herr Nipp einfach sehr dankbar, dass er in einer toten Stadt wohnt. Wo es keine Kneipen mehr gibt, da gibt es nachts auch keine Menschen.

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