Containerkinder I

Da fragt eine Kollegin, was er denn eigentlich immer so in den Containern finde, wenn er suche, ob sich das denn eigentlich lohne und warum er denn nicht darauf vertraue, dass die Leute schon wüssten, was sie da entsorgen. Viele Fragen und er muss nachdenken, nicht lange natürlich, da sprudelt es aus ihm heraus. Angefangen hatte es damals mit dem Container einer kleinen Druckerei in der Nähe seiner Grundschule, die sogenannte “Rote Schule“, nicht nach politischen Vorlieben, sondern nach der Farbe ihrer Backsteine, aus der die Fassade heute noch besteht, benannt. Damals war er natürlich nicht mehr auf der Grundschule, sondern ging schon zur weiterführenden. Aber jeden Tag kam er auf seinem Schulweg dort vorbei, das war zwar nicht der kürzeste, aber auf jeden Fall der schönste. Auch heute noch geht er lieber dort her, als die vielbefahrene Straße zu verwenden, die der Durchgangsverkehr nutzt. Sie führt an einem Park vorbei, der zwar klein, dafür aber das städtische Hundeklo ist, an Häusern, die noch Vorgärten haben, in denen Grünzeug steht, statt der heute üblichen Steine und Parkplätze. Aber das tut hier vielleicht gar nicht so viel zur Sache. Was für ihn damals ein Schock war, sollte sich letztlich als Segen erweisen. Die Druckerei wurde geräumt, alles kam in den Container und nachdem er gefragt hatte, was denn da so alles entsorgt wurde, erlaubten ihm die Arbeiter, alles mitzunehmen, was er haben wolle. Er suchte und fand. Es waren Druckplatten von Schallplattenhüllen, die er einfach faszinierend fand, ganze schwere Taschen mit diesen Zinkplatten stopfte er sich voll. Nach dem Mittagessen ging er ein zweites Mal dorthin, um den Schatzzug zu vollenden. Und zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er dieses tiefe Loch des schweren Verlustes. Der Container war weg, die Arbeiter auch und vom Inneren der Druckerei war nichts mehr übrig geblieben. Die Druckplatten legte er allerdings dann in seine kleine Vitrine, voller Stolz. Einige Jahre später verkaufte er die auf Trödelmärkten, sie sollten ihm letztlich immerhin einige Monate guten Lebens sichern.

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