Während im Haus noch alle schlafen und in den umliegenden Häusern ebenfalls, sitzt er am Wochenende gerne manchmal mit einem Kaffee auf der Terrasse, er hat sich warm angezogen, weil es noch bitterkalt ist, zumindest fühlt sich das so an, wenn man gerade aus der warmen Hülle des Bettes geschlüpft ist. Er schaut in den Garten, wo sich vielleicht erste Schemen aus dem Dunkel schälen und manchmal hat er auch eine Zeitung vor sich liegen, das kommt allerdings eher im Sommer vor, wenn es schon sehr viel früher hell geworden ist. Manchmal liegen dort auf dem Tisch vor sich auch Papier und Stift, weil er sich Notizen machen will, keine Skizzen zu weiteren Geschichten, das hat er schon vor einiger Zeit aufgegeben, was gäbe es auch schon aus seinem langweiligen Leben zu erzählen. Eher Notizen zu Dingen, die er unbedingt machen oder veranlassen muss. Manchmal auch unspezifische Gedanken. Eigentlich ist es ihm dabei völlig egal, mit welchem Stift er das geschehen lässt, Hauptsache der schreibt flüssig. Das Schlimmste sind Stifte, die plötzlich einige Millimeter oder gar Zentimeter nur eine Furche im Papier hinterlassen. Dann nämlich ist es für ihn aus mit dem Idyll, dann könnte er von einem Moment zum nächsten alles hinwerfen, ins Haus gehen und sogar den Kaffe draußen vergessen. Deswegen hat er sich inzwischen auch einen Vorrat an Stiften in die Schublade mit dem Namen „Wenn nicht da, wo sonst“ gelegt. Eine Schublade, die jeder besitzen sollte. Früher einmal hatte er sie in der Küche, heute ist sie im Esstisch untergebracht, weil es dort viel größer ist. Unglaubliche Dimensionen tun sich dabei inzwischen auf. Whovians würden sicherlich von einer Tardis sprechen (Time and relative Dimension in Space), das muss an dieser Stelle nicht weiter erläutert werden. Der geneigte Leser wird mit den richtigen Schlagworten sicherlich bei Eccosia oder Metager ohne Umschweife viele Suchergebnisse angezeigt bekommen, die das Tardis- Phänomen erklären. In diesem Stauraum finden sich neben den besagten Stiften eben alle wichtigen Dinge des Lebens, die man allerdings nicht täglich gebraucht, die aber sicherlich fehlen würden, hätte man sie nicht. Ein jeder Mensch kann sich wahrscheinlich vorstellen, was ihm oder ihr da so entgegenspringt. Nähzeug, Klebe, Lineal und Zollstock, Stifte, Aquarellkasten, Scheren, Feuerzeug, Ersatzmasken, eine Zange, Taschenmesser, Krimskrams, Heftklammern. Eben jene jeglichen nützlichen Gegenstände.
Heute morgen jedenfalls hat sich Herr Nipp vergenommen, doch einige Ereignisse aus seiner Vergangenheit aufzuschreiben, die ihm gestern beim unerwarteten Grübeln im Bett eingefallen waren. Etwa dass der alte Onkel der Nachbarn, der schon ein wenig seltsam war, vielleicht auch schon immer gewesen war, dabei für ihn als Kind sehr liebenswürdig in seiner Verschrobenheit, immer alles Mögliche in winzig kleiner Schrift in seine Hefte notiert hatte. Niemand bekam sie je zu sehen, gar zu lesen, was er so täglich schrieb. Wohin all diese Hefte nach dessen Tod gekommen waren, konnte ihm auch nie jemand sagen. Sie waren wohl von dessen Schwägerin entsorgt worden, die den Onkel nie gut leiden mochte. Aber wer weiß das schon. Manchmal kam sich Herr Nipp selbst wie ein Chronist des Unwichtigen vor. Ein Eigenbrödler eben. Wie oft hatte er sich bereits in seinen Gedanken und Textfragmenten über die Nebensächlichkeiten des menschlichen Seins verloren, ohne es selbst zu bemerken. Er wusste das und musste dann versonnen in sich lächeln, während er den inzwischen kalt gewordenen Kaffeerest aus dem henkellosen Pott trank. Auch was er schrieb und dachte, würde ein, nämlich sein Geheimnis bleiben und niemand würde es je zu lesen bekommen, abgesehen vielleicht vom Erzähler und dir.