Fladenbrot

Eigentlich hatte er ja Nudeln machen wollen. Aus Weichweizengries, Dinkel- und Weizenmehl, Salz und etwas Wasser hatte er mithilfe der Knethaken und einem Mixer einen Teig gemacht, hatte ihn liegen lassen und geplant nach einer halben Stunde Nudeln auszurollen, zu schneiden und auf dem gerade gebauten Nudeltrockenständer zu trocknen. Irgendwas aber war ihm dazwischen gekommen. Wir wissen ja alle, wie schnell so etwas passieren kann. Da wirst du angerufen, das Telefonat dauert etwas länger, vielleicht weil der oder die Andere gerade ganz ganz dringend mal Trost braucht und telefonisch in den Arm genommen werden muss. Vielleicht ist ja auch etwas wirklich schlimmes passiert, etwas, das niemals hätte passieren dürfen. Oder noch wahrscheinlicher ist natürlich, dass etwas in Zukunft, warum auch immer, passieren könnte und das wäre (im Sinne von könnte und wäre) dann wirklich so schlimm, dass das Gegenüber sich schon jetzt so dramatisch aufregen muss und gleichzeitig seelischen Beistand gebraucht. „Hast du dir eigentlich schon einmal Gedanken darüber gemacht, was passieren würde, wenn …“ Vielleicht aber ging es auch nur um die Frage, ob er mal eben kurz helfen könne. An dieser Stelle ein wissender Hinweis aus Eigenerfahrung; sollte irgendjemand den Anruf mit diesen vier Wörtern bekommen, lege er oder sie direkt auf, ohne jeglichen Kommentar. „Eben mal kurz helfen“ ist so etwas wie eine Drohung. Unter drei vier Stunden kommt niemand da weg. Es hatte, was immer auch vorgefallen sein konnte, jedenfalls viel länger gedauert als geplant und als er gegen halb eins nachts wieder daheim war, hatte er auch keine Lust mehr, Nudeln zu machen. So blieb der Teig bis zum nächsten Morgen stehen. Auch da war die Lust auf frisch gemachte Nudeln wenig vorhanden. Wie man so schön sagt, die Luft war raus. So hatte er also den Ofen gestochert, das runde Gitter aufgelegt, auf dem er normalerweise die Waffeln auskühlen lässt, dann den Teig ausgewalzt und auf Backpapier gelegt und die Fladen innerhalb einer viertel Stunde ausgebacken. In Streifen geschnitten schmeckt das vor dem Backen in gesalzenem Sesam gewälzte Brot wie ein knuspriger Snack und der bringt ihn heute über die Runden. Dem Anrufer von gestern sei Dank.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.