Briefe über Briefe

Seine Bibliothek ist voll, zu voll. So viel steht mal fest. Vor den sich biegenden Regalreihen steht er und will aussortieren. Umfassend und vor allem radikal. Er sieht keine andere Möglichkeit sich vom Ballast des Papiers zu befreien. Da findet sich zum Beispiel das Buch „Goethes Mutter“ von Anfang des 20. Jahrhunderts mit hunderten von Briefen. Seien wir mal ehrlich. Was interessieren ihn diese Briefe schon? Er Schlägt den schwarz eingebundenen schweren Schinken mit den vergilbten Seiten auf. Schaut kurz über diese Konversation in ihrer umständlichen Sprache und will das Buch, welches er 1988 aus Beständen der Städtischen Bücherei für 50 Pfennig gekauft hatte, gerade auf den noch nicht vorhandenen Haufen der aussortieren Bücher legen, da bleibt er an einem Satz hängen.

Einige Stunden später ist der Haufen noch immer nicht gewachsen und Herr Nipp verharrt tatsächlich noch immer in der gleichen Position mit noch immer dem selben Buch in der Hand. Er hat gelesen, Briefe über Briefe und ist völlig gebannt. Das Buch wird nicht entsorgt werden, die anderen auch nicht. Er wird wohl Stabilisierungen einbauen müssen und ein weiteres Regal. Komme, was da wolle.

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