Rollläden

Er weiß nicht, ob es Rollläden eigentlich überall gibt, er kann sich allerdings vorstellen, dass diese mal wieder eines der typisch deutschen Phänomene sind. Abends wird die eigene Burg sichtdicht verschlossen. Nicht mit wallenden Vorhängen etwa, nein mit Rollläden, die um pünktlich 6 Uhr automatisch herunterfahren. Alle zusammen. Herr Nipp hat auch solche Sichtverhinderer an seinen Fenstern angebracht, nicht automatisch, und ganz ehrlich nutzt er nur eine Rolllade, um abends das Wohnzimmer unsichtbar zu machen. Er weiß noch nicht einmal warum, vielleicht einfach aus Gewohnheit, denn ehrlich gesagt passiert nicht viel in seiner Wohnung. Zumindest nichts, was irgendwen interessieren könnte. Entweder sitzt er da und liest oder er sitzt da und schaut irgendeine Sendung auf seinem Klapprechner aus irgendeiner Mediathek, sprich entweder bei Arte oder ARD. Es gab auch mal eine Zeit, da hat er Netflix geschaut, aber das Angebot war ihm einfach zu groß und verführerisch. Da konnte es tatsächlich passieren, dass er nicht in der Lage war, sich wieder aus dem Sessel zu erheben. Glücklicherweise hat er aber den Fernseher samt Firestick verschenkt. Manchmal allerdings sitzt er auch mit Freunden zu Hause, genießt die Gespräche und ein selbstgebrautes Bier. Dann vergisst er auch schon mal, die Raumversperrer herunterzulassen, weil man den Übergang zwischen hell und dunkel einfach verpasst hat. Und mal ganz ehrlich, es hat schon etwas sehr Lächerliches, wenn das Fenster im Dunkeln verschlossen wird. Vor allem aber im Sommer, wenn im Garten unter dem Walnussbaum gesessen, getrunken, geredet und gegessen wird, ein Lagerfeuerchen flackert, in dieser besonderen Vorrichtung, die sich ein Freund ausgedacht und Herr Nipp nachgemacht hat. (Darüber später, versprochen.) Während dann an den Nachbarhäusern die Jalousien herunterfahren, ganz schonend und gemächlich, ist an eigene Verschlusstätigkeit also nicht zu denken. Wozu auch. Und wenn er dann irgendwann schlafen geht, weiß er wirklich nicht, welches Sinn es haben könnte, die Bänder jetzt noch zu betätigen. Viel wichtiger ist es, schnell das Waschbecken und dann das Bett zu finden.Wir wissen ja, dass er morgens meist sehr früh aufsteht. In seiner Straße, einer Nebenstraße ohne Durchgangsverkehr glücklicherweise, gibt es übrigens auffällig viele Häuser, die keine Kurbelautomatik besitzen. Eines der Nachbarhäuser ist seit Jahrzehnten dafür bekannt, dass die klapprigen Rollläden aus Holzleisten morgens genau um sieben Uhr schwungvoll hochgezogen werden. Viermal hintereinander, immer mit rund zehn Sekunden Pause, in denen die Besictzerin oder der Besitzer den Raum wechselt. Herr Nipp weiß spätestens dann, dass er aufstehen muss. Aber nur am Wochenende. In der Woche heißt das für ihn, dass es langsam Zeit wird loszugehen.

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