Rondell

Ganz in seiner Nähe, vielleicht 150 Meter vom Haus seiner Kindheit entfernt, befindet sich dieses runde Umspanngebäude auf einem Kreisverkehr. Wahrscheinlich kurz nach dem 2. Weltkrieg in der Wirtschaftswunderzeit gebaut. Gegenüber der weißen Kirche, die ebenfalls in diese Zeit gehört. Einfacher, der Romanik nachempfundener Stil mit kleinen Rundbogenfenstern. Damals musste zum neuen Stadtteil auch ein neues Sakralgebäude her. Die Menschen glaubten noch. Die Kirche war voll. Sehnsucht nach Werten und Antworten nach dem verlorenen Krieg. Herrn Nipp war es in seiner Kindheit immer so vorgekommen, als sei dem religiösen Energiemittelpunkt seiner Welt der weltliche gegenüber gestellt worden. Als Kinder hatten sie beide Objekte gerne als Spielplatz genutzt. Am sogenannten Rondell mit den dichten Gebüschen und den wundervollen Kopfahornen haben sie ein Fangspiel namens böser Alter Mann gespielt. Zwischen den Büschen waren tolle Verstecke. Eine traumhafte Welt für Sorglose. Für sorglose Jahre auch. Eine ganze Horde an Bälgern konnte dort in dem ersten Kreisverkehr der Stadt ganze Tage verbringen. Manchmal hatte jemand zwanzig oder sogar fünfzig Pfennig mit. Dann ging es über die Straße zum Bäcker, Salinos kaufen oder Lakritze. Schnecken am besten. Ganz wehmütig schaut er auf diese Zeit zurück. Die Kindheit ist fast vergessen, aber so ganz eben nicht. Diese bestimmte Sehnsucht ist geblieben. Immer ein Fundament. Die Kinder von damals haben sich in alle Richtungen verstreut, nur drei sind in der Stadt geblieben. Das Gebüsch war vor Jahren entfernt worden. Eine gewisse Zeit hatten sich wohl Alkis und Drogies dort getroffen. Als Herr Nipp dieser Tage dorthin kam, lagen auch die wundersamen alten Ahorne auf der Seite. Alle gefällt. Das Rondell soll renoviert werden. Er musste ein paar Mal schlucken, um gegen die Tränen anzukämpfen.

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