Zahnarzt

Er kennt Menschen, die wirklich Angst vor dem Zahnarzt haben. Vielleicht ist das so, weil diese erst dann dorthin schleichen, wenn sie von echtem Schmerz geplagt werden. Das geht bei Herrn Nipps Zahnarzt gar nicht. Mindestens einmal jährlich geht es zur Vorsorge und Reinigung. Danach wird der Bestand noch durchgecheckt und manchmal kommt ein Folgetermin dabei zustande. Etwa so als ginge man zur Autowaschanlage und die böte gleichzeitig eine Inspektion mit an. Könnte ein sinniges Konzept sein. Außerdem hat ihn mal wieder eine Freundin beruhigt, die erfolgreich in dieser Branche tätig ist. Sportwagen Fahrerin, klar. Und sie liebt ihren roten Flitzer. Dieses Mal ist es also einer der seltenen und daher fast ominösen Folgetermine. Tagelang hat er sich schon Gedanken gemacht. Ja, bei einer Kopfschmerzattacke hatte er sich eine Krone abgeknirscht, also musste etwas passieren. Herr Nipp hat sich mit Herrn Dr auf ein Implantat geeinigt. Alles würde bereits ausgemessen. Eine Hammerechnung wird es geben, soviel ist ihm klar. Er wird freundlich empfangen, zum Stuhl geleitet und anstatt eines Kaffees, wie er sich das beim Frisör vorstellen könnte, gibt es eine Desinfektionslösung zum Spülen. Eine Minute lang. Vielleicht auch kurz gurgeln? Man weiß ja nie. Die Assistentin verlässt den weißen Raum mit beruhigender Dudelmusik der esotherischsten Sorte. Mit Bildern von Edward Hopper, genauso beruhigend, Kunstdrucke, leider keine Originale. Die scheinen schon länger zu hängen, haben sie doch einen Stich ins Blaue bekommen. Die anderen Farben sind gewichen, besonders das Gelb. Während neben ihm der Absauger unaufgeregt vor sich hin blubbert, fühlt sich der Patient sehr wohl auf dem zur Operationsliege heruntergefahren Stuhl. Er wacht erst wieder auf, als Herr Dr hereinkommt. Ein gewinnendes Lächeln auf den Lippen und fragt, ob er endlich ausgeschlafen habe. „Dann können wir ja anfangen.“

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