Wolke

Über dem Feld steht eine Wolke, bewegt sich seit einiger Zeit nicht vom Fleck, verändert nur die Form und scheint langsam zu wachsen. Inzwischen sieht sie aus wie ein überdimensionaler Tropfen. Ja, Regen käme jetzt gelegen, sagt der Apfelmann. Sie haben sich gerade von ihrer Steinbank am Feld erhoben, die Pause beendet, die so wichtig für die Feldarbeit ist. Trinken gegen den stechenden Stern. Herr Nipp und der Apfelmann sprechen dann über die Entwicklung des Krautbewuchses zwischen den Obstgehölzreihen. Was erwünscht ist, was nicht. Welche Leguminosen und wie hoch der Bewuchs sein darf. Natürlich keine verholzenden Pflanzen und keine Quecken, das ist mal klar, auch die Hirse ist nicht erwünscht, aber Weißklee. Herr Nipp schlägt Ergänzungen durch blühende Pflanzen vor, die den Insekten nützen. Wenn überall die Natur weggespritzt wird, dann muss man einige Flecken schaffen, wo sich Tiere und Pflanzen wohlfühlen dürfen. Was nützt es schon, Insektenhotels aufzubauen, wenn die kleinen Flieger nichts zu fressen haben. Ja, das stimmt wohl, aber der Apfelmann hat seine eigenen Vorstellungen, es muss auch zu seinen Gehölzen passen. Er arbeitet sich in stiller Stunde die perfekten Mischungen aus. Leider versteht Herr Nipp zu wenig von den wissenschaftlichen Namen, die dann genannt werden. Aber er hört sie gerne und versucht sich einige einzuprägen, die er zu Hause dann nachschlagen kann. Die Wolke ist ein Fragezeichen, ganz deutlich. Immerhin hat Herr Nipp die Erlaubnis bekommen zwischen zwei Baureihen Kürbisse anzubauen. Und anderes Gemüse. Ja, regnen müsste es, denkt er, es beginnt schon zu stauben. Der Feuchtigkeitshorizont sinkt. Die Wolke hat inzwischen die Form eines Ausrufezeichen angenommen. Es ist immer wieder schön, Wolken zu verdinglichen, denkt er. Sie gehen wieder auf das Feld, bewaffnet mit Knebelgummis zum Anbinden der kleinen Bäumchen und einer Schere zum Entasten, falls nötig. Jeder nimmt sich eine Reihe vor, jeweils rund 110 Pflanzen. Meist schweigend geht die Arbeit gut voran, beim Anbinden entwickeln sich Automatismen. Manchmal fliegen Worte hin und her. Die Wolke ist dunkler geworden. Nach getaner Arbeit sitzen die beiden noch zusammen, der eine raucht eine selbst gestopft Zigarette, der andere Trink den letzten Kaffee. Kaltwasseraquarien werden thematisiert. Die Wolke scheint mitreden zu wollen und entleert sich. Plötzlich und heftig. Endlich Regen! Der Apfelmann lacht.

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