Weniger hektisch

Eine Aneinanderreihung von Tönen, die er schon oft gehört zu haben glaubt. Dabei sind es angeblich ganz neue Klänge, Songs, die allerdings nach Klischees klingen. Als hätte jemand zu lange am Radio gedreht und ganz nebenbei alles aufgenommen, ungefiltert. Manchmal kann er sogar Strukturen ausmachen, immer dann, wenn der Beat eine Zeitlang geradeaus läuft und nicht in irgendwelchen Windungen versickert, zuweilen scheinen sogar die teils gesungenen, teils gesprochenen Wörter einem Sinn und einer Strategie zu folgen. Er sitzt in einem seiner beiden schwarzen Ledersessel aus den sechziger Jahren, original. Hatte ihm seine Tante geschenkt, als er ausziehen musste, zusammen mit dem Zweisitzersofa, auch aus Leder. Solide Möbel, die eine besondere Aura in dieser Wohnung verbreiteten. Neben den schlichten sechziger Jahre Schränken und den Sesseln gab es nicht allzu viel dort zu sehen, jede Wand zugestellt mit Büchern. Gut geordnet nach Literatur, große und kleine. Die kleine Literatur bemisst sich nicht nach der Qualität, sondern nach der Höhe der Buchrücken. So kann denn ein Autor bei großer und kleiner gleichzeitig verordnet sein. Dann die vielen Kunstbände, die eigentlich die Regalböden verbiegen müssten. Er hat seine Regale allerdings aus Eiche gebaut. Selber gebaut. Das ist etwas billiger. Dann gibt es noch die Fachbücher, die ihn interessieren, ein Regal mit allem zum Thema Biologie, dann einiges an Psychozeugs und Trivialphilosphie und Geschichte natürlich. Das meiste andere ist nicht so seins. Da stehen vielleicht gerade mal drei vier Kochbücher, ein paar Reiseführer, die er aber eigentlich gar nicht braucht. Sein Bruder war so schlau und hat sämtliche Bücher abgeschafft. Mehr Platz zum Leben, für Bilder vor allem und für weiße Wand. Die Moderatoren schwätzen ihre Lobeshymnen, über innovative Klänge und Dahinplätschern, dann spielen sie wieder irgendein Liedchen, bei dem Herr Nipp direkt einschlafen könnte. Leider ist die Fernbedienung gerade nicht greifbar, und aufzustehen behagt ihm gerade überhaupt nicht. Er liest ein klein kleines Büchlein von Daniel Kehlmann, das ihn sofort in den Bann gezogen hat. Da stimmt etwas nicht. Das merkt man doch sofort. Er vergisst die Milch auf dem Herd und erst als es stinkt, muss er dann doch aufstehen. Übergekocht. Hätte ein schöner Abend werden können, weniger hektisch.

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