Jäger und Sammler

Noch langweiliger als das Angeln ist wohl nur noch, beim Angeln zuzuschauen, lautet ein weit verbreiteter Gemeinplatz. Dies ist natürlich nur gemein gemeint, eine blasphemische Torheit der Unwissenden, denn jeder, der nur einmal  geangelt hat, einen ganzen Tag am Ufer saß und nichts fing, der weiß, dass Angeln mehr gibt, als das Wort zu versprechen in der Lage ist. Tatsächlich verbindet dieser Sport verschiedene Bereiche, die eigentlich nicht zu vermuten sind. Bereiche, die sich fast als Paradoxie auszuschließen scheinen. Das Jagen als grundsätzliche und existentielle Funktion wie Tätigkeit  des Menschen (Mannes) einerseits, die völlige Kontemplation und in sich ruhende Selbsterkundung auf der anderen Seite. Der Angler ist mit sich und der Welt in diskursivem zufriedenen Selbstgespräch. Herr Nipp wusste dies seit Jahren, hatte irgendwann für sich beschlossen, dass es tatsächlich drei weitere Tätigkeiten gibt, die echte Langeweile erzeugen, das Fernsehen, das Fußballgucken und letztlich der Trödelmarktbummel.

Obwohl er selber in seiner Studienzeit manchen Nachmittag auf diversen dieser Trubelplätze des Nutzlosen verbracht, ja einen Teil des Studium damit finanziert hatte (Jeder Verwandte hat irgendwo eine Kiste mit Trödel stehen, die er unbedingt loswerden will, das hatte er abgegriffen, sogar recht erfolgreich.). Damals war er als äußerst aktiver Verkäufer bekannt gewesen, der es sogar geschafft hatte, einem älteren Herrn einen alten Teppichklopfer zu verscherbeln – als antike Schmetterlingsklatsche. Nach fünfzehn Jahren absolut anstrengungsloser Abstinenz war er nun von zwei jungen Verwandten überredet worden. Ja, da konnte er nicht nein sagen, würde diese traurigen Augen nicht ertragen.

Man hatte also schnell den Wagen bis zum Bersten beladen, Bücher, betagte Badetücher, blätternde Bilderrahmen, bröckelnde Blumenvasen und Nippes, eben alles, was nicht zu gebrauchen ist. Die beiden Tapeziertische dazu und schon ging es in die Altstadt ins bunte Treiben der Nörgler, nerdigen Spezialsammler für Zinnkrüge und zweifelnden Herunterhändler, der Wahnsinnigen und wahnsinnigen Sucher. Die Kinder hatten es sich auf ihren Kindergartenstühlen, die selbst auch zum Verkauf standen, bequem gemacht, verhandelten durchaus geschickt mit den ersten Kunden und freuten sich über jede Einnahme, sprudelndes Taschengeld.

So konnte Herr Nipp sich in Langeweile ergehen und über den Markt streifen, um sich über den Müll zu amüsieren, der dort angeboten sein würde. Man mag ja gar nicht beschrieben, was sich alles findet. Immer gut gehen natürlich Militaria und Orden mit Hakenkreuzen, solches Zeug wurde natürlich nur aus rein dokumentarischen Gründen gesammelt. Mit der Ideologie hatte man wirklich nichts zu tun. Allerdings kann man solche Sammler immer sehr schnell erkennen.

An einem Stand fanden sich zwischen unerträglichem Ramsch drei Bilderrähmchen im Stil der 50er oder 60er Jahre mit bunten Bildchen, die ihn zum Stehen brachten, er schaute genau hin, sah die Insignien, die Kirchen Soests, die durchaus prickelnde Farbgebung und natürlich den sehr expressivem Schnitt dieser Grafiken. Herr Nipp schaute genauer hin und tatsächlich handelte es sich um drei Holzschnitte von Eberhard Viegener. Schön signiert von 1918 unf 1919. Er musste sich die Verwicklung der netten alten Hansestadt der Börde ins Gedaächtnis rufen, all jene Künstler, die dort Halt gemacht, die Künstlerfreundschaften, die diese Kleinstadt historisch sogar im 20. Jahrhundert durchaus wichtig gemacht hatten. Durch Freundschaften zu Arnold Topp und Wilhelm Morgner beispielsweise. Durch die Wertung als entartet im Jahre 1933. Erst kürzlich hatte Herr Nipp einen Abstecher durch Bilme gemacht, wo der Künstler wohl gewohnt hatte.

„Wieviel sollen die Bilder kosten?“ – „Äh, na, frag ma die Frau – äh 15, aber jedes. Ham wa außm Kella, sin n bißchen staubich.“ “ Gut, nehm ich.“  – „Äh , is das nich n bißchen viel – ich mein, se ham nich gehandelt.“ „Nein, mit dem Preis bin ich ganz zufrieden“, schloss Herr Nipp das Gespräch ab, musste unwillkürlich an die Maerkszene bei „Das Leben des Brian“ denken und lächelte freundlich, packte die Bilder unter den Arm und verabschiedete sich äußerst höflich.

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