In der Wanne

Das Licht der drei Watt starken LED-Leuchten über ihm wird durch die lose verstreuten Restinseln des Badeschaums zu langsam wandernden Sternenformationen am Grund der Wanne. Er sitzt seit einer Stunde im erkaltenden Wasser und liest in einem Buch, das von einem Freund vor kurzem empfohlen wurde, geschrieben vor gefühlten Urzeiten, als es noch den Anschein von Gut und Böse gab, als die Dinge noch geordnet schienen. Ein Abenteuerroman in so altertümlicher Schrift, dass es schon wieder reizt, ihn zu lesen. In den erzählten Geschichten werden wiederum neue Geschichten erzählt, die sich aber in irgendeiner Weise mit den vorangegangenen vermischen. Er möchte eigentlich nicht aufhören zu lesen, dabei handelt es sich letztlich um ganz gewöhnliche Erählungen in einer Welt, als die Menschen noch an Gott und Götter glaubten, an Engel und Teufel, an alle möglichen Möglichkeiten des Gespensterwesens, an Geister und Vampire, an gewesene Adelige und die Verbindungen in Liebe und Hass. Ach, er weiß er doch, dieses Werk hat so viele Freunde und Bewunderer, da muss es gelesen sein, ebenso wie die Geschichten aus tausend und einer Nacht. Ja, hier geht es um das Zusammentreffen der Religionen, also durchaus aktuell auch heute. Und genau da friert es ihn. Saragossa. Nicht Juden, Christen und Moslems, sondern das inzwischen kalte Wasser. Er legt das Blätterwerk weg, trocknet sich schnell ab und erblickt erst jetzt das Spiel der Blasen auf der Wasseroberfläche, das gebündelte Licht am Grund. Ja, doch, Badewannieren hat was.

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