Kurze Betrachtung eines Wasserturms

Ein unscheinbares Gebäude, einer jener fantasielos in Beton gegossenen Wassertürme, Speicher des lebensnotwendigen Nasses in sandig-flacher Landschaft, die sich im Brachland jeder unbedeutenden Kleinstadt, ja jedes Dorfes in den Himmel schrauben und bei abendlichem Gegenlicht sogar so etwas wie eine Skyline imitieren, als Zeichen des futuristischen Fortschrittglaubens und der Entwicklungsfähigkeit dieses Ortes, ja vor dem Schein der untergehenden Sonne zu einem mahnenden Zeichen werdend, das an den Umriss fortschrittlichster Großstädte in Asien erinnert, die wir aus modernen Baufachzeitschriften und Lifestyle- wie Modemagazinen zu kennen glauben oder die wir als Kinder in billigen Science-Fiction-Zeichentrickserien wie Captain Future von den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten als Versprechen um die Augen geschlagen bekamen. Und trotzdem, im Wissen um seine Funktion und die tatsächliche Größe, um seine Funktionsweise und den Nutzen, den alle darum  herum lebenden Menschen aus ihm zu schlagen wissen, sei es nun beim Anwerfen der Waschmaschine, beim Bewässern des Gartens oder Duschen nach dem langen Arbeitstag, sei es beim wochenendlichen Putzen des getreuen und viel zu teuren Individualverkehrsmittels, das in Raten über Jahre abgestottert wird, das so aufgehübscht einen Ausflug ins Grüne ermöglicht, muss man diesem Gebäude doch eine gewisse Würde und Trutzigkeit zugestehen, und in manchen Dörfern ist es inzwischen so viel wichtiger als der Kirchturm, der vielen Menschen nichts mehr zu sagen weiß.

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