Invasionär

Kaum der Tristesse des allgemeinen Alltags entronnen, kümmerte er sich liebevoll um den Garten. Auch wenn Außenstehende sicherlich vermutet hätten, dass er eine gewisse Wut im Bauch haben musste, denn wütend, geradezu grob sah das Geschehen wohl aus, er arbeitete mit einer unglaublichen inneren Freude. Wieder einmal hatte Herr Nipp entdeckt, dass sich in einem kleinen Seitenbeet seines ebenso kleinen Grundstücks der Giersch ausgebreitet hatte. Nun gibt es nur zwei Möglichkeiten diesem Gärtnerfeind Nr. 1 Herr zu werden. Entweder man konterminiert den ganzen Boden großflächig mit Unkraut-Ex oder man trägt die obere Bodenfläche ebenso großflächig ab und hofft, dass alle Rhizome mit erwischt werden. Dann füllt man das Ganze in schwarze Plastiksäcke und gibt großzügig ungelöschten Kalk darauf. Zwar kann man davon ausgehen, dass damit so ziemlich alles im Mutterboden abgetötet wird, immerhin lässt sich dieses Gemisch, welches nun mindestens den ganzen Sommer über in praller Sonne liegen muss, dann im nächsten Jahr als Zwischenstreu für den Komposter nutzen. Da er grundsätzlich gegen alle Gifte im Garten ist (sogar die Schnecken werden nicht mit blauen Körnern zum kulinarischen, aber langsamen Tod verführt, sondern eigenhändig mit der Gartenschere und Nackenschnitt ermordet.) , wählte Herr Nipp die zweite Methode. Die alten Johannisbeer- und Josterbeerbüsche wurden ausgegraben und durch heftiges Klopfen auf den Boden von jeglicher Krume befreit. Alles Abfallende war als Abfall zu betrachten, mehrere Säcke füllten sich, übereinandergestapelt nicht gerade eine Augenzier, trotzdem dann demnächst ganz praktisch. Die Büsche mussten nun nur noch auseinander gerupft werden, alte Holzteile entfernt. Nach getaner Arbeit pflanzte Herr Nipp die Pflanzen in neue Pflanzerde, die er käuflich in dem nahe gelegen Gartenzentrum erworben hatte, schlämmte alles mit mehreren Eimern voll Regenwasser ein. Schon acht Wochen später sollte er sich wundern, statt des Gierschs würden sich unter den vertrockneten Obstgehölzen explosionsartig Ackerwinden  ausbreiten, die er mit der neuen Erde eingeschleppt hatte.

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