Kino gucken

Eigentlich sollte im Kino besser ein Film geschaut werden, aber zuweilen ist es ratsamer, das Café aufzusuchen, weil die Augen tränen. In aller Ruhe das angeschlossene Café aufsuchen und auf die Freunde warten, die sich gebannt in fremde Welten, einfache Arten des Denkens und Sprechens und vor allem klar umrissene Strukturen entführen lassen. In der einen Hand die Popcorntüte, in der anderen ein hochkalorisches Getränk. Also sitzt Herr Nipp vor seinem Potts Landbier, hat sein mobiles Kommunikationsgerät gezückt und ist nach Trocknen des unangenehmen 3D-Brillenflüssigkeitflusses mit sich und der Welt zufrieden. Eine halbe Stunde noch. Vielleicht, wer weiß, wird die Zeit auch gar nicht so lang, dann nämlich, wenn die digitale Unterhaltung einen knisternden Unterton erhält, entweder ins Vorwurfsvolle oder dezent unterschwellig Erotische umschlägt. Natürlich ohne dass irgendetwas explizit ausgesprochen wurde. Aber mit ausgesprochener Lust zu denken und hinter jedem zweiten Wort eine Falle oder Angel, eine spannungsvolle Andeutung zu entdecken. Verschmitzt. Dann genau wird das Kino wieder zu dem, was es eigentlich immer hätte sein sollen, zur Projektionsfläche unserer oder anderer innerer Realitäten. Dass dabei die Stühle als äußerst unbequem auffallen, trägt hier nichts zur Sache bei.

Als das Publikum teilweise lächelnd, teilweise zufrieden aus dem Saal in den strömenden Regen herausströmt, ist Herr Nipp völlig in seine Gedankenwelt versunken. Spielt mit dem Gerät wie ein kleiner Junge, der jetzt gerade erst erstaunt entdeckt, dass es solche Möglichkeiten bietet. Schreibt ins gerade entdeckte virtuelle Notizbuch seine etwas spärlichen Gedanken. Derweil legen die schmalhüftigen Jungs selig ihre Arme um die mehr oder meist weniger schmalen Hüften ihrer Mädchen, die auf jeden Fall die Liebe für das Leben sind – zumindest bis nächste Woche. Die Machos aber mimen breitbeinig mit hochgezogenen Schultern und hochgestellten Polohemdkrägen den klassischen Helden, angehimmelt von einer starkgeschminkten Tussi. Die Hände der alleinstehenden Frauen und Männer haben sich in der Dunkelheit zufällig gefunden, ganz beschämt mit seligem Lächeln sehen sie sich jetzt zum ersten Mal in die Augen. Schon jetzt mit zwei Gefühlen; das wird nix und ja. Letztlich aber ist das alles egal, völlig egal, sie haben sich wie auch immer unterhalten lassen. Einige Stunden des Lebens sinnenvoll verbracht.

Schön wäre es allerdings gewesen, wenn seine Freunde Herrn Nipp im Café gesucht hätten, sie haben sich aus dem Staub gemacht. So blieb er noch eine viertel Stunde ganz alleine sitzen und wurde irgendwann vom Kinobesitzer aufgefordert zu gehen.

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