1783 Wege zu Glück und Erfolg – oder wie man einen Ratgeber schreibt – 1.Teil

Vorwort

Ratgeberliteratur ist im Rückblick betrachtet eine ständige Erfolgsgeschichte auf dem Buchmarkt. Schon im 17. Jahrhundert verfasste etwa Martin Opitz das „Buch der deutschen Poeterey“, welches zwar offiziell vorgab, die deutsche Sprache und vor allem Poetik zu verbessern, indem genaue Regeln und Gebote hiermit eingeführt wurden, um das Deutsche auf den Rang angesehener Sprachen wie dem Französischen oder Italienischen zu erheben, doch letztlich war es nichts anderes als ein früher Erfolgsbestseller für Poeten und weitere Schriftsteller, die endlich einmal etwas in der Hand hatten, wie man ordentlich Gedichte schreibt. Und das war nun wirklich notwendig, das können Sie mir glauben. So einen Kauderwelsch in der Literatur wie in der frühen Barockzeit hat man erst wieder Anfang des 20. Jahrhunderts in der expressionistischen und dadaistischen Dichtung gelesen. Mit anderen Worten glaubten einige Schriftsteller, die bekanntlich damals noch nicht von ihrer Literatur leben mussten, sondern oft wohlhabende Adlige waren, es reiche schon überhaupt etwas zu schreiben, um gute Literatur zu machen. Vielleicht wussten sie auch gar nicht, was Literatur überhaupt ist, hatten aber das Gefühl, sie hätten der Nachwelt etwas zu sagen. Damals wie heute allerdings gilt: So ist das nicht! Jeder Trottel erkennt schließlich beim Lesen was gut ist und was nicht, ob er oder sie es selber verfassen kann, ist eine völlig andere Frage.

Im 18. Jahrhundert gelang dann einem gewissen Freiherrn von Knigge ein ganz großer Wurf, der sich prägend auf die nachfolgenden Generationen, ja,  Jahrhunderte auswirken sollte. Zwar hat kaum jemand einmal dieses Werk „Über den Umgang mit Menschen“ verständig gelesen, sondern nachgeplappert, was andere über dritte und vierte  darüber gehört hatten, doch sind trotzdem viele seiner Vorschläge für ein besseres Leben miteinander in den Köpfen hängen geblieben. Bis heute wohlgemerkt und es gibt tatsächlich immer wieder Versuche, diese Regeln zu modernisieren.

Nach Ende des zweiten Weltkriegs in einer Zeit der absoluten Orientierungslosigkeit, die übrigens unserer Meinung nach bis heute andauert (sonst gäbe es mit an absolute Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Fernsehsender wie RTL II oder Pro Sieben, um nicht die schlimmsten Ausschweifungen in Richtung Fußballbezahlfernsehen genauer zu beleuchten), verbreitete sich der innige Wunsch nach Anleitungen für das tägliche Leben. Die Großfamilien waren auseinander gebrochen, niemand wusste mehr sich Rat von den Alten zu holen, die hatte man ja auch ins Altenheim abgeschoben und wurden dort vergessen. Nur alle zwei Sonntage besucht der durchschnittliche Deutsche die offenbar nicht mehr ganz so werte Seniorenschaft in seinen Zwangseinrichtungen für etwa eine bis zwei Stunden. Und da hat man nun wirklich keine Zeit, um Rat zu fragen, da man tonnenweise Kuchen in sich schaufeln muss. Die Tendenz zum Ratgeber verbreitete sich wie ein Steppenbrand und jedes Jahr kommen neue Werke hinzu, die inzwischen immense Bibliothek aufzufüllen oder zu ergänzen. Hier finden sich dann alle möglichen und unmöglich vorstellbaren Themen, bei denen sich teilweise die Haare sträuben, hätte man denn noch welche, oder sich wahlweise die Zehennägel hochklappen, wenn sie lang genug wären. Von der erfolgreichen Pflanzenzucht über den Speisepilzanbau und Motorenreparaturen nach dem Motto „Jetzt helfe ich mir selber“  zu Handwerkerbüchern für den effektiven Bau ökologischer Holznistkästen für Blaumeisen. Von Lebenshilfebüchern in den Bereichen Medizin und Psychologie über religiöse und esoterische Hilfsangebote unter Berücksichtigung von Fengshui und Bachblüten hin zu erotischen Partnermassagen oder wahlweise auch neuen SM-Techniken für den Anfänger. Von Glück, Liebe und Zufriedenheit zu Anleitungen zur Vereinfachung des Lebens. Die Auswahl hier an dieser Stelle kann natürlich nur ausschnittsweise in diesen spannenden Dschungel mit seinen Fallen und Schlingpflanzen einführen (à propos einführen). Es gibt inzwischen sogar Verlage, die sich auf Ratgeber spezialisiert haben und davon gut existieren. Es gibt Autoren, die unter den verschiedensten Pseudonymen der Tätigkeit des Ratgeberschreibens nachgehen und damit sogar erkleckliche Summen für das tägliche Überleben erwirtschaften. Meist wird ihnen dann vom Verlag ein Thema genannt, welches daraufhin in wenigen Wochen abzuarbeiten ist. Ob tatsächlich Ahnung davon vorhanden ist? Völlig egal, Hauptsache der Titel ist ansprechend. Und genau diesen Menschen und jenen, welche diesem Beruf der Wortprostitution nachgehen wollen, haben wir dieses Buch gewidmet.

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