Die Kiste: Hut

Wenn sich das Wetter so zuzieht wie an diesem verflixten Tag, an dem Herr Nipp einkaufen gehen will, dann sollte er besser eine Kopfbedeckung tragen, gerade dann aber, wenn die verbliebenen Haare die Haut nicht mehr vor Blicken schützen können, sprich bei Glatze. Der Hut steht ihm sogar recht gut, muss er feststellen, als er sich selber vor dem Spiegel betrachtet. Die Krempe ist nicht zu breit und passt sich gut den Konturen des Gesichtes an. Zumindest aber unterstreicht sie diese, wenn man bedenkt, dass Herr Nipp nicht gerade ein markantes Gesicht hat, sondern eher unscheinbar und sogar ein wenig langweilig aussieht. Aber das würde er sich selber niemals eingestehen. Das Licht am Spiegel hat er extra so gesetzt, das alles irgendwie verwegen scheint, sogar sein Antlitz. So die Augen mit den Schlupflidern. Starke expressive Schlagschatten.

Schon der heutige Griff in die Kiste hatte ein etwas schlüpfriges Gedicht mit einem Hut, der in heikler Situation an bestimmter Stelle im Schritt hängen bleibt, zutage gefördert. Sozusagen aus dem Hut gezaubert. Böses Omen.

Als er die Türe hinter sich schließt, erfasst ihn sogleich eine Windböe. Kalte, nasse und unangenehme Luft schlägt ihm ins Gesicht, auch der Hut wird ihm direkt vom Schädel gerissen. Der fällt keine anderthalb Meter entfernt zu Boden, natürlich in die einzige Pfütze im ganzen Vorhof. Triefend nass das Teil. Er hebt die Kopfbedeckung widerwillig auf, schlenkert sie und bringt sie zurück in die Wohnung. In der Nähe seines Kaminofens hängt er ihn zum Trocknen auf. Das kann auch nur ihm passieren. Also setzt er wieder einmal seine ältliche braune Strickmütze auf und wagt einen weiteren Ausgehversuch. Die ist zwar genauso langweilig wie sein Gesicht, dafür hält sie. Auch bei Wind und Wetter.

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