Die Kunststoffrucksäcke, verstärkt durch Alugestell jedenfalls waren gut gefüllt, als die Wandergruppe oben auf dem Berg ankam. Man bestaunte die Unterstände aus dem ersten Weltkrieg, welche die Südtiroler Kämpfer in den Fels gesprengt hatten. Sogar eine Kapelle fand sich dort. Krieg und Glaube hängen meistens zusammen. Jede Seite betet beim gleichen Gott für den Sieg und dass er da die anderen vernichten möge. Man kennt die alte Mär. Die Geistlichkeit spielt mit. Dabei sollte doch wirklich jeder Dorftrottel wissen, dass Gott nicht auf einer bestimmten Seite steht, dass er den Menschen die Freiheit gegeben hat, selbst zu entscheiden. Eigentlich glaubt man ja kaum, dass inmitten des Tötens Zeit für Gottesdienst ist.
Plötzlich war eine dunkel zuckende Wolkenbank aufgezogen, rasend schnell. Hatte Kälte und Nässe gebracht, die zügig unter die Kleidung zogen. Scharfer Wind kam auf, peitschte ihnen ins Gesicht. Wenige Meter unter dem Gipfelkreuz verkrochen sich die Wanderer eng an einander gedrückt in einer der künstlichen Höhlen. Es stank extrem nach Exkrementen. Eine weitere Gruppe kam vorbei und lief zu den Stahlleitern, um abzusteigen.
Kein Platz mehr in der Höhle. Die Augen laufen, vor Gestank und Angst. Blitze zucken und gleichzeitig knallt es, das Kreuz in Sichtweise leuchtet drohend. Ohren betäubend, Augen schmerzend, die Haut fühlt die in der Luft liegende Spannung. Alle haben Angst. Und dann wird plötzlich allen bewusst, dass die anderen in Lebensgefahr sind, wenn ein Blitz in die Leiter einschlägt, sind sie tot. Seltsamer Gedanke. Das Wort macht die Runde, was ist, wenn beim Rückweg die anderen wie Grillhähnchen an der Leiter hängen, gut durch. Als das Gewitter weiter gezogen ist, geht es schnell nach unten, es wird kaum gesprochen, jeder hat Angst, die Blitzopfer als erster zu sehen. Aber. Die andere Gruppe hat Glück gehabt. Abends trifft man sich zufällig im Restaurant zum Löwen. Jetzt kann man heiter plaudern. Dabei hätten sie alle sterben können. Wenn etwas überstanden ist, sei es noch so gefährlich, wird es schnell zu einer Anekdote. „Dich interessiert doch nicht, was du erlebst, nur das, was du davon erzählen kannst.“
