Der Stau X

Teil X

Wenn man schon im Stau steht und die Zeit verlangsamt erscheint, denn diese ist wie wir wissen immer relativ, so kann man das Stehen doch auch sinnvoll nutzen, hatte er gedacht. Hatte einige Zeit lang Radio gehört, mal wieder hatte es einen Politiker erwischt, hatte man einen Politiker beim begangenen Betrug erwischt. Das Plagiieren schien sich durch die Riege der Mächtigen zu ziehen. Wer was werden will, muss einen Titel vorweisen können, ob er oder sie tatsächlich etwas dafür geleistet hat und wie dieses zu bewerten sei, sei dahin gestellt. Wieder einmal wurde also eine Lawine losgetreten, den Delinquenten zu zermalmen, wieder einmal wurde unter dem wissenschaftlichen Betrug die politische Leistung in Misskredit gezogen. Da saßen wieder einige Experten in einmütig streitender Runde und urteilten über Täter wie Dulder. Irgendwann hatte er das Gerät ausgeschaltet, konnte das sich ewig um sich selbst kreisende Geschwätz nicht mehr ertragen.

Also nahm er die Hausarbeit eines seiner Studenten heraus, die ihm beim ersten Lesen immer wieder ein Schmunzeln ins Gesicht gejagt hatte. Weil der Student ein Spiel gespielt hatte, sich über sämtliche geisteswissenschaftliche Gepflogenheiten hinwegsetzend. Das Geschriebene konnte man einerseits als absolute Frechheit in den Mülleimer werfen, andererseits steckte darin eine Auseinandersetzung mit dem universitären Betrieb, der nicht zu unterschätzen war. Ein zweites Mal also wollte diese Seiten lesen und bemerkte also auch gar nicht, dass der Verkehr um einige Meter weiter rollte. Die Entscheidung, ob dafür nun ein Leistungsschein zu vergeben sei, musste im Angesicht der gerade gehörten Radiodiskussion sorgfältig geprüft werden. Ab jetzt konnte sich jeder angreifbar machen, der Humor im wissenschaftlichen Betrieb auch nur ansatzweise zulassen würde. Und wenn es tatsächlich eine Bescheinigung in irgendeiner Form geben sollte, so müsse eindeutig verdeutlicht werden, dass eher der Mut als der Inhalt zu belohnen sei. Tatsächlich war in den letzten Jahren die form der Arbeit mehr und mehr in eine akademische Sackgasse geraten, Tatsächlich konnte niemand mehr den Mut haben, Spiele mit dem System zu treiben, wollte er nicht Gefahr laufen ungebremst an den universitären Mauern zu zerschellen. Den Abschluss zu gefährden und damit letztlich zu den gescheiterten Studenten zu gehören, die als Taxifahrer enden oder vielleicht, wenn es günstig läuft ein Geschäft aufmachen, für Elektronik oder Nippes jeglicher Art. Nein diesem jungen Menschen musste zu helfen sein. Einerseits würde er einen Leistungsnachweis erhalten, allerdings mit dem nötigen Kommentar versehen, nicht versehentlich nur noch solcherart Arbeit abzuliefern.

 

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