Kleiner Kläffer

Neben dem Haus ist ein größeres Grundstück mit Stallungen, welches von einem kleinen, gescheckten Hündchen bewacht wird. Jeder vorbei  Ziehende wird aufgeregt und zornig angekläfft. Der Hund läuft frei auf dem Grundstück herum und wird glücklicherweise durch eiserne Gitter im Zaum gehalten, man wüsste bei diesem kleinen Fiesling nicht, ob die alte Weisheit von den bellenden Hunden, die nicht beißen, bei ihm auch stimmen würde. Und die Zähne wirken ziemlich spitz. Scheinbar hat er sonst wenig zu tun, sonst würde er nicht jedes Mal wie ein geölter Blitz um die Ecke fegen.

Jeder Wanderer weiß natürlich auch, dass diese kleinen Kläffer nicht so lange leben, zu viel Aufregung für einen so kleinen Körper, so ein kleines Herz. Herr Nipp wartet eigentlich schon seit geraumer Zeit darauf, dass das Viech irgendwann einmal Schnappatmung bekommen würde und dann wie vom Blitz getroffen einfach umkippt. Dann würde er vielleicht noch zwei drei Mal zucken und es wäre vorbei. „Eigentlich schade“, denkt er noch im Weitergehen. Über die letzten Jahre hat sich eine gegenseitige Sympathie aufgebaut, die man daran erkennen kann, dass der Kläffer noch schneller am Tor ist und fast darauf wartet, dass Herr Nipp zurückbellt. Außenstehende können sich überhaupt nicht vorstellen, welchen Spaß es macht sicher hinter dem Zaun zu stehen und zurück zu bellen. Aber wehe der Wolfsnachfahre kennt die Lücke im Zaun, dann könnte es doch peinlich werden. Oder spektakulär. Wer läuft wohl schneller? Wie weit traut sich des Menschen bester Freund? (Man beachte, dass nicht nur der Hund als Freund des Menschen betrachtet wird, sondern auch die Polizei)

Das gemeine Zurückbellen aber geschieht natürlich nur, wenn gerade niemand anders anwesend ist, es wäre doch zu beschämend. Er stellt sich vor, was andere wohl denken mögen, wenn sich ein erwachsener Mann auf das Niveau eines Hundes begibt.  Andererseits wundert sich kaum jemand, wenn durchaus studierte Menschen, Männer wie Frauen, sich plötzlich in einem ernsthaften Gespräch, gar Disput mit einem Vierbeiner befinden. Sie reden dann entweder wie mit einem kleinen Kind, welches gerade erst das Sprechen gelernt hat, oder aber wie mit einem schwerhörigen Erwachsenen, der außerdem auch noch ignorant ist.

Als Herr Nipp vorüber gegangen ist, sieht er gerade noch aus dem Augenwinkel, dass hinter ihm eine Gruppe mit Kindern zum besagten Haus kommt. Der erwartete Überfall bleibt aus. Winselnd und schwanzwedelnd steht der Feind aller Wanderer zitternd vor dem Tor und freut sich ganz offensichtlich.

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