Herr Nipp

Manchmal ist es ihm so, dass er aus tiefstem Inneren und ebensolcher Notwendigkeit „hach ja“ sagt. Und dieses Hachjaen tut unendlich gut.

Nichts Böses ahnend, sitzt er in seinem kleinen Verschlag und hört den Vögeln bei ihrem Abendgesang zu. Kaum etwas Schöneres kann Herr Nipp sich vorstellen. Zu dieser Jahreszeit geben die Sänger noch einmal alles. Hey, hört, ich bin hier der Beste. Es soll ja Komponisten gegeben haben, die ganz eng an Vogelgesängen ihre Sinfonien entwickelt haben. Welch perfekte Gehöre braucht es dazu! Plötzlich kommt ein tiefes Brummen immer näher. Fast bedrohlich wirkt ihm gegen die Vogelstimmen der ungebetene Besucher. Eine dicke schwarzgelbe Hornisse kommt herein, setzt sich ganz in der Nähe auf das Holz, verweilt einige Sekunden und wirft dann den schwer vibrierenden Flügelmotor wieder an. Sie fliegt heraus und kommt zurück. Das ganze Spiel dauert einige Minuten. Immer wieder kommt sie, setzt sich und verschwindet wieder. Herr Nipp bleibt ruhig sitzen, bewegungslos. Egal was er zunächst gedacht hat, letztlich ist es ein faszinierendes Naturschauspiel.

Als Herr Nipp diesen Abend aus dem Wald kommt, er hat eine weite Runde gedreht. Zu Fuß versteht sich, über vier Stunden lang ist der gute Mann marschiert, ganz allein dieses Mal. Er hatte sich den Rucksack gepackt, extra zuckerarmen Tee zum Durstlöschen vorbereitet. Er hatte sich sogar, und das ist genau genommen gegen sein Naturell, eine Regenjacke eingesteckt. So gut vorbereitet also ging es los. Rucksack auf und gehen. Ziel, ein in der Nähe gelegener Stausee. Gar kein Problem. Sollte auch keines werden. Alle Stunde setzte er sich zum kleinen Pausieren, nicht weil es nötig gewesen wäre, eher um sich selbst seine Disziplin auch im Pausieren zu beweisen. Immerhin eine gute Vorbereitung auf die nächste Alpintour mit den Söhnen. Nur die letzte halbe Stunde war ihm wirklich schwer gefallen, nicht aus konditionellen Gründen, sondern erstens, weil er den richtig leckeren Tee viel zu früh geleert hatte und nun Brand hat, zweitens, weil in der Luft ein beißender Rauch liegt, da dort unten im Tal unter lauten Explosionen offensichtlich eine Hütte brennt, in der brandfördernde Substanzen gelagert wurden.

Er hatte sich so vorgestellt, schnell mal eine Evaluation zu machen. Eine vom Arbeitgeber vorgeschriebene Rückblicksbewertung. Er hat sich dann die Formulare heruntergeladen – aus dem weltweiten Netzwerk, von der ihm angegebenen Seite. So etwa zehn Minuten hatte er dafür eingeplant. Jetzt sitzt er seit inzwischen seit zwei Stunden mit einem Stapel von etwa hundert Blatt und beantwortet all die Fragen. Einige von diesen scheinen ihm redundant zu sein, aber egal, er müht sich um korrekte Angaben. Und demnächst darf er dann die Auswertungsschablonen drüber legen, denn es ist nicht abzusehen, wie die rückblickende Bewertung wohl so ausfallen wird. Und erst recht nicht ist in irgendeiner Weise kann er abschätzen, welche Bedeutung all das für seine Zukunft haben könnte.

Es gibt Tage, die kann er sich nicht merken, also eigentlich nicht die Tage, nein, die bestimmt nicht, sondern eher die Daten dieser Tage. Da sind etwa Feiertage, der erste Tag des Urlaubs, der, an dem nach dem Urlaub die Arbeit wieder beginnt, sonstige Festivitäten oder Konzerte, die er gerne besucht, aber vor allem sind es Geburtstage. Deswegen ist er immer froh, wenn er frühzeitig darauf aufmerksam gemacht wird, wann denn die abendliche Feier beginnt. Auf diesem Weg also kann es auch gelingen, dass er herzlichen Glückwunsch sagt.