Nachts

„Nächtens lag ich trunken…“ heißt es in einem Lied, das Herr Nipp gerade hört. Ein Stück aus einer fernen Vergangenheit von einer Band, die damals so etwas wie ein Mythos war. Einstürzende Neubauten oder wie damals gesagt wurde: Neubauten. Herr Nipp hört manchmal immer noch diese etwas schrägen Klänge, das schrille Scheppern der selbst gebauten Instrumentarien, diese Stimme von Blixa Bargeld. Auch wenn das so gar nicht zu seiner biederen Erscheinung zu passen mag. Aber wir wissen ja, Bilder von anderen entsprechen nicht immer der Realität, der Anschein ist ein Blitzlicht auf das Sein, mehr nicht. Wie dem auch sei (darf diese Phrase überhaupt in einem Text verwendet werden?). Die Worte dieser Band haben ihn schon immer zu Gedankenflügen angeregt. Wie hängen die Dinge zusammen? Was heißt heute eigentlich Nacht? Was ist mit Trunkenheit gemeint? Romantik? …sich in Sentimentalität ersaufen? Bis in die späte Nacht sitzt er da in seinem Wohnzimmer, lauscht intensiv den Klängen, den Texten, legt zwischendurch eine Platte von Bach auf und erkennt Zusammenhänge. Der Kaminofen flackert ein wunderbares Licht auf die sechziger Jahre Möbel, die Bilder an den Wänden scheinen von innen zu leuchten. Er liegt inzwischen auf dem schwarzen Ledersessel, den Kopf an die Schulter gelehnt, nicht richtig bequem, aber aushaltbar, denkt nach und verliert langsam den Bezug zur Realität, nur Musik, nur Text, kein Alkohol und trotzdem: „Nächtens lag ich trunken…“

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.