Was

Was ist es, fragt sich Herr Nipp, dass uns dahin bringt, dieses Gefühl eines gewissen Ungenügens auszuhalten? Warum schaffen wir es vielleicht ein gesamtes Leben lang unsere wahren Bedürfnisse hintan zu stellen, nur um, einem scheinbar unumgänglichen gesellschaftlichen Konsens folgend, dem wahren Glück zu entsagen und diese Zufriedenheit zu suchen, die uns eine Zeit lang zumindest am Leben zu halten scheint? Solche Gedanken hat er immer wieder einmal, wenn er andere Leute beobachtet, vielleicht auf dem Weihnachtsmarkt, vielleicht auch in der Stadt am Alltag, wenn er seine Einkäufe tätigt und die wirklich und nicht sprichwörtlich leuchtenden Augen der Verliebten, der Trinker und Kinder sieht und dagegen jenes Verblassen der Augen der Anderen bemerkt, dessen sich die allgemeine Gesellschaft in ihrer Zufriedenheit schuldig macht. Sie haben etwas vielleicht vergessen oder nur verdrängt. Jenes Erfreuen an den kleinen Dingen, jenes Beglücktsein, wenn etwas Unerwartetes passiert. Was ist es, fragt sich Herr Nipp dann, dieses Gefühl eines gewissen Verschwindens auszuhalten? Und dann fängt er an zu lächeln, muss irgendwann lauthals loslachen, weil er gerade jetzt daran denken muss, dass ihm gestern der Zweig auf die Nase geschlagen ist, als er die Büsche geschnitten hat und ihm einen blutenden Riss genau auf der Spitze hinterlassen hat, der ihm jetzt vielleicht ein bescheuert verwegenes Aussehen gibt. Er stellt sich vor, wie blöd das aussehen muss. Und all die Leute, die sich zunächst fast kopfschüttelnd umdrehen und diesen alten Mann in seinem Ledermantel sehen, fangen plötzlich auch an zu lachen, weil dieses Lachen einfach ansteckt und für einige Momente gibt es dieses Gefühl des eigenen Ungenügens bei ihnen nicht mehr.

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