Balkonien

Langsam wird es dunkel, der Tag geht seinem Ende zu. Gleich wird sich der Himmel spektakulär verfärben. Herr Nipp liebt diese Sonnenuntergänge, er sitzt auf dem Balkon einer Freundin und wartet ab. Alle Töne kann er finden, kurze Zeit sogar einen schmalen grünen Streifen. Das kommt selten vor und hat damit besonderen Wert für ihn. Wolken schieben sich malerisch in die Szenerie und lassen ihn an das Traktat über die Malerei von Leonardo denken, auch wenn der über Felsen und Wände schreibt. Die Illusionskraft der Bilder ist gewaltig. Alles Mögliche kann er sich da ausmalen, von einem Dinosaurier bis zu einem Teddybär. Gesichter über Gesichter. Besser als mancher Kinofilm. Neben ihm steht ein Glas mit selbst gemachten Eistee, an dem er von Zeit zu Zeit nippt. Zu ergriffen ist er von diesem Schauspiel, als dass er merken könnte, dass die Tür von innen verschlossen wird. Die Freundin hatte telefoniert und vergessen, dass Herr Nipp noch da sein könnte. Sie ist zu Bett gegangen, erschöpft vom Tagwerk. Als er nach Hause gehen will erst, wird das Missgeschick bemerkt. Sie hat leider einen festen Schlaf.

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