Irrtümer

„Ich habe früher immer gedacht, dass Rehe ganz junge Hirsche sind!“, sagt ihm angeheitert eine Freundin. „Viel später erst, als Erwachsene, habe ich von einem Jäger erfahren, dass das verschiedene Arten sind.“ An diesem Abend erfährt er auch von jemandem, dieser habe angenommen, ein Vogelhäuschen müsste man nur recht weit unten am Baum befestigen, es werde mit der Zeit schon hochwachsen. Eine andere Freundin am Tisch bestellt ein Bier und meint, früher habe sie geglaubt, Bier sei sehr süß und schmecke nach Apfel, weil es ja schließlich die gleiche Farbe wie Apfelsaft habe. Sie habe damals all die Erwachsenen beneidet, die schon Bier bestellen durften. Nach und nach erzählt jeder seine Version der großen und kleinen Lebensirrtümer, der falschen Kindheitsüberzeugungen. Etwa, dass alle roten Beeren giftig sind, weil rot ja eine Warnfarbe sei. Dass Pilze nach Fisch schmecken, dass Tauben regelmäßig Menschen überfallen und sonst so einiges. Nur er selbst ist sehr zögerlich, denn solche Irrtümer sind ihm immer noch und wirklich peinlich, aber vielleicht ist es ja auch mal an der Zeit, sich ihnen zu stellen. Der Abend wird lang, lange hat er geschwiegen, was so gar nicht seine Sache ist, meistens steckt er doch selbst mitten im Gesprächgetümmel, macht sich über sich ohne Probleme lustig. Nur manchmal geht es ihm zu nah, dann schweigt er. „Komm, rück raus. Du musst doch auch solche grundlegenden Irrtümer haben, die einen das ganze Leben lang amüsieren.“ Herr Nipp hat genau das befürchtet, lügen will er einfach nicht, natürlich gibt es davon eine ganze Menge…und rückt irgendwann mit zwei seiner peinlichen Kindheitsirrtümer heraus. Er hatte als sehr kleines Kind geglaubt, dass Autos, wenn sie erwachsen sind, entweder Busse oder LKWs werden. Sein Vater hatte irgendwann einmal gesagt, dass Autos auch immer größer werden. Und als zehnjähriger Jaust hatte er tatsächlich erwartet, farbiges Taschengeld (damals 50 Pfennig die Woche) zu bekommen, welches er selbst reinigen muss, nachdem die Mutter angekündigt hatte, dass nach der jüngsten Unverschämtheit, die er sich gebracht hatte (und davon hatte es angeblich viele gegeben), das Taschengeld erstmal gestrichen würde.

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