an diesem Morgen

Nach den letzten Tagen der Kühle und des dringend benötigten Regens scheint heute morgen die Sonne in sein Zimmer, quatsch, das geht ja gar nicht, das dieses nach Süden ausgerichtet ist. Also gut, neuer Anfang. Als er aufwacht und aus dem Fenster schaut, ist ihm klar, dass dieser Tag ein wirklich schöner wird. Der Himmel ist blau, fast wolkenlos. Herr Nipp hadert kurz mit sich, wollte er doch eigentlich lange liegen bleiben, und steht dann auf. Er öffnet die Terrassentür, schaut in den Licht durchfluteten Garten, überall Blüten zwischen den dieses Jahr noch ungemähten Gräsern. Er hat sich vorgenommen, gegen Ende Mai den Mäher flott zu machen und dann einmal Grund reinzubringen, allerdings wird er dabei aufpassen müssen, dass die gerade Samen bildenden Frühblüher nicht wegkommen. Es ist hier müßig aufzuzählen, was alles dort im Garten wächst. So nach dem Motto mein Auto, mein Segelboot, mein Haus, meine Frau; das ist nicht seins. Aber vielleicht vermittelt es einen Eindruck, wenn der Leser (Vorsicht, generisches Maskulinum. Natürlich weiß der Autor, dass seine Texte hauptsächlich ein weibliches Publikum finden. Nicht weil sie besonders darauf zugeschnitten sind, sondern weil die meisten Männer einfach zu faul zum Lesen sind. Der Leser soll hier nicht wertend oder geschlechtsspezifisch gemeint sein. Aber es ist schon komisch, dass heute bei Verwendung des generisches Maskulinums sofort die Genderwarnlichter angehen.) weiß, dass die derzeitige Leitblüte die Akelei ist. Zwischen dem Weiß und Dunkelstviolett, alle Farben der Skala Rosa, Blau und Hellstbleu, dazwischen sicher jede Menge anderer Pflanzen, die ihre betörenden Farben und teilweise Dufte zeigen. Und natürlich die weißen Sterne des Bärlauchs, das sich seit einigen Jahren frei im Garten ausbreiten darf. Die Bischofsstäbe der Straußfarne am Üferchen zur Terrasse sind noch nicht ganz ausgerollt und zeigen das schönste vorstellbare Grün. Die Walnuss im Garten zeigt ihre ersten rot bespitzten Blätter. In der Wiese, die kein Rasen sein soll, sitzen diverse Vögel und natürlich auch das Taubenpaar, welches in der Zirbe lebt oder dort zumindest ein Nest unterhält. Das frühmorgendliche Gezwitscher hat schon nachgelassen und man kann beizeiten einen Spatzen frech kreischen hören. Die Spatzengang hat in den letzten zwei Jahren die gesamte Nachbarschaft für sich erobert. Der Himmel wird von Mauerseglern zerschnitten. Nachdem Herr Nipp die Bierflaschen des gestrigen Abends mit einigen der besten Freunden, die man sich denken kann, vom Gartentisch geräumt hat, setzt er sich dorthin, schließt die Augen, riecht die Luft, hört die wenigen Töne der Tiere, lauscht und spürt die leichten Lufthauche auf der Gänsehaut. An diesem Morgen weiß er, wo er hin gehört.

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