Draußen regnet es in Strömen, nein, das kann man nicht als Sommerwetter bezeichnen. Da in den Räumlichkeiten nicht geheißt wird, ist die Temperatur über Nacht in den Keller gegangen. Glück haben diejenigen, die ihren Stand in der Nähe der Cafeteria haben, dort wird der Backofen regelmäßig geöffnet, dann kommt schon mal ein Hauch von Wärme hinüber. Sie sitzen auf der Messe herum, warten auf Interessenten für ihre Arbeiten. Es kann sein, dass von Zeit zu Zeit Sehleute halten, interessiert schauen, wahlweise dann die linke oder rechte Hand zum Kinn führen. Manchmal vielleicht ein Gespräch suchen. Meistens aber verschwinden sie genau in dem Moment, wenn die Wartenden den Augenkontakt suchen. Irgendwann beginnen die wartenden Standbesitzer dann eine imaginäre Statistik zu führen. Vier Kategorien von Frauen werden dort erfasst, die man auf Kunstmessen finden kann. Zunächst sind da die Normalen zu nennen. Sie haben sich gut, aber eben nicht besonders auffällig gewandet. Meist sehr angenehme Gesprächspartner, die interessiert fragen und oft durchaus gewisse Kenntnis besitzen. Dagegen heben sich die Rucksackträgerinnen ab. Oftmals treten diese erstens in Rudeln auf, sie machen sich zweitens ein Vergnügen daraus, eine unglaubliche Flut von Fragen zu stellen, oder aber völlig stumm zu sein. Diese Kategorie hat die meisten Unterkategorien, denn es gibt die Frauen mit kleinen Rucksäckchen aus Leder, was ziemlich albern aussieht, denn hinter dem oft massigen Rücken hängt dann ein glänzendes winziges Päckchen, das realiter nicht nutzbar ist. Andererseits gibt es diejenigen mit Tourenrucksäcken. Diese Gerätschaften sind zwar sehr zweckmäßig, sie wirken allerdings auf Indoorveranstaltungen seltsam deplatziert. Speziell auf Kunstmessen aber finden sich die zwei weiteren Kategorien, die diese Events als Laufsteg nutzen. Einerseits jene, welche sich hauptsächlich in dunkelgrau und schwarz gewanden und dazu einen meist roten Farbtupfer, sei es mit Hilfe der Brille, eines Schals oder Gürtels, der Tasche oder der Schuhe setzen. Sie zeigen ihr so wahres und ungeheuer existenzialistisches Interesse an der Kunst an sich, machen oft selber zu Hause „etwas“, oder gehen häufig ins Museum, einige wenige haben auch eine Galerie. Sie müssen durchaus ernst genommen werden. Wirklich ernst, das zeigt schon die schwarze Farbe. Andererseits allerdings gibt es noch die Extravaganten, die jedes Mal drei Stunden früh morgens vor dem Messebesuch vor dem Kleiderschrank stehen und ihre Komposition zusammenstellen, da stimmt dann aber auch wirklich alles, sogar Lippenstift und Nagellack sind dann zu hundert Prozent stimmig. Wunderbar. Sie sehen exotischen Gewächsen nicht unähnlich, die sich im Dschungel ihren Weg ans Licht kämpfen müssen, ihre Existenznische suchen und diese in der Ungewöhnlichkeit finden. Ein Glück, dass es regnet, dachte Herr Nipp, dann muss ich nicht gießen.
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