Prägungen

Was ihn denn wohl geprägt habe, hat der Freund gefragt, der sowieso gerne Fragen stellt. Herr Nipp muss überlegen, aber nicht lange. Die Frage sei doch eher, was ihn nicht geprägt habe oder nicht? Zum einen die Familie mit den Eltern und Geschwistern natürlich. All die kleinen und großen Gespräche, die Streitsituationen und jene der Eintracht. Wichtig war es aber auch zu verstehen, wie all die Tanten und Onkels ticken. Wie er gelernt hatte, zu klassifizieren. Da waren der Egoist, der Zurückhaltende, der Distanzierte, die Oberflächliche, der Herzliche, der Helfer durch und durch, die Mütterliche und all die anderen nahen Verwandten. Da waren die Cousins und Cousinen, denen er sich immer etwas fremd gefühlt hatte. Und nicht zu vergessen hatten ihn die Freunde geprägt. Die aus der Nachbarschaft, mit denen er jeden Tag gespielt hatte damals. Auch die ganze Nachbarschaft sicherlich, das religiöse Leben. Ja, was war denn wichtiger? All die Bücher, die er gelesen hat? Die Musik oder die Kunst, die er kennenlernen durfte? All die Stunden, die er in der Natur verbracht oder in denen er im Garten gearbeitet und gestaltet hat? Die Schulen, die er besuchen durfte? Vor dem Kaminofen zu stehen und sich den Hintern zu wärmen? Klettern zu gehen in den Alpen oder im nahen Klettergebiet? Einfach die Tage zu vertrödeln? Die ganze Stadt vielleicht? So eine kleine Frage, denkt er, so viele Antwortmöglichkeiten. Letztlich gibt Herr Nipp eine ganz kurze Antwort, die ehrlich gemeint ist: Das ganze Leben.

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