An der Wand

Einige Namnen kann er dort lesen. Schnell an die Wand geschrieben, etwas verschmiert. Allerweltsnamen, denen er keine Personen zuordnen kann. Vor der Wand stehen einige Menschen und unterhalten sich, vielleicht auch über jene Leute, die an der Wand stehen. Sie berücksichtigen vielleicht den Lauf irgendeiner Geschichte, die Herr Nipp nicht ansatzweise kennen kann. Er versteht einzelne Wortfetzen „…weitere Figuren…“ „…Vergewaltigung…“ „…wahre Freundschaft…“ „Wie freunden sie sich an?“ Herr Nipp versucht genauer hinzuhören, will etwas mehr wissen, aber alles bleibt letztlich fragmentarisch und unverständlich. Am nächsten Tag wird er von einem ihm fremden Mann angesprochen. „Und?“ „Was, und?“ „Und wie war es gestern zu lauschen?“ „Habe ich etwas falsch gemacht?“ „Ich frage Sie, wie es gestern war zu lauschen. Haben sie ihre Freude darin gehabt, andere Menschen zu beobachten und zu belauschen?“ „Ich?“ „Wir hatten hier gestern ein öffentliches Improvisationstheater und Sie sind uns auf den Leim gegangen. Wir haben sie gefilmt. Dürfen wir das Material verwenden?“ Herr Nipp ist völlig verwirrt, er, der Beobachter, ist zum Beobachteten geworden und er weiß nicht, wie er damit umgehen soll. Wenn der Beobachter beobachtet wird und er weiß nichts davon, kann er weiterhin recht objektiv beobachten, weiß er jedoch, dass das Beobachtete gespielt war und er zum Beobachteten selbst wurde, der nun Teil einer Inszenierung ist, die er nicht geplant hat, so wird er vielleicht nie wieder die Offenheit haben, sich unbeobachtet fühlend zu beobachten. Dadurch wird seine Beobachtung letztlich zu einer Unwahrscheinlichkeit im Realen.

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