Er konnte sich noch ganz gut erinnern – als er im Bett lag – was einst gewesen war, zwar nicht an die ersten Anfänge, denn die lagen schon so lange zurück, aber doch an das, was wichtig war. Damals noch als Teil des Ganzen, als Teil dieser Muschel. Sie lebte Jahre lang in zirka 15 Metern Tiefe an der Holländischen Küste.
Eines Tages wurde sie gefressen, er wusste es nicht genau, war es ein Krebs gewesen oder ein Fisch? Jedenfalls blieb nur die Schale zurück, ohne Leben, dazu verurteilt, langsam zersetzt zu werden. Irgendwann, nicht lange lange nach jenem tragischen Unglück lagerten sich Algen an belebten das Ganze noch mal, aber auch das war nicht von langer Dauer. Während einer stürmischen Novembernacht, das ganze Mehr war aufgewühlt, wurde die Muschel an Land gespült. Nun lag sie da, zwischen tausenden anderen Schalen, Quallen und anderen Tier- und Pflanzenresten im Schaum des verschmutzten Strandes von Petten. Am nächsten Tag verdorrten auch schon die Algen. Es war wohl nur ein dummer Zufall, dass eines der Pferde, die täglich am Strand spazieren geritten wurden, auf eben jene kleine gebänderte Muschel trat und diese in hunderte kleiner Teile zerbrach. So wie wohl alles im Dasein aus mehr oder weniger dummer Zufälligkeit bestand. Nun war er aus der Mitte gerissen, an des Rand eines der Bruchstücke gekommen. Jeden Tag kamen Flut und Ebbe, Flut und Ebbe. Und scheuerten die Stückchen über den sandigen Boden, an anderen Muscheln, an kleinen Steinchen. Irgendetwas, es war schon Frühling, denn draußen wurde es wärmer, war auch er abgescheuert und lag da zwischen abermillionen anderer Sandkörner, ganz alleine.
Ein kleiner Junge mit Plastikeimer und ebensolchem Schüppchen machten zu Ostern mit seinen Eltern Ferien. Oft war er am Strand, schaffte Sand in das Eimerchen und entlud diesen einige Meter entfernt auf Sandhaufen, um Burgen zu bauen. Das kleine Sandkorn war auch dabei und kam so zirka 20 Meter vom Meer weg auf einer Sandburg erstmal zur Ruhe.
Solche Burgen jedoch sind nicht von Dauer und verfallen bekanntlich schnell wieder. Nur wenige Tage später war die wirklich große burg, vor der Flut zwar geschützt, schon zu einem kleinen Haufen zerfallen. Aber die Stelle, in der Nähe der Dünen blieb verändert, es war ein wenig windgeschützt dort. Andere Leute schaufelten sich eine Mulde., um sich dort an den Strand zu legen. Selbst zu Pfingsten und eine Woche später war die Kulhe dort noch vorhanden und wurde von Strandbesuchern gerne benutzt. Das Sandkorn interessierte sowas überhaupt nicht, gedachte es doch für immer am Strand liegen zu bleiben. Aber daraus wurde auch nichts.
wieder einmal der Zufall wollte es, dass es mit vielen seiner Kollgen, es mögen einige hundert gewesen sein, in den mittellangen Haaren eines jungen Mannes hängen blieb. Es wanderte so bis zur Kopfhaut, ohne etwas selbst dazu zu tun, und setzte sich in einer Pore fest. Beim Duschen wurde es so nicht wie viele seiner Genossen in die Kanalisation gespült und machte stattdessen eine über 200 Kilometer lange Reise nach Siegen mit. dort jedoch, im Bett des Studenten, fiel es herunter und lag da einen Tag so.
Es dachte gerade über seinen Werdegang nach, als es das surrende Geräusch eines uralten Staubsaugers wahrnahm. Aber woher soll so ein Sandkorn schon wissen, was für eine Aufgabe dieser hatte, als er auf dem Bett hin und her geführt wurde…
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