Terrasse II

Sehr früh morgens hat er sich auf die Terrasse hinausbegeben, das Bett verlassen, das ihm zur Falle geworden war. Nur mit einer Unterhose bekleidet, die frische Morgenluft an den Körper zu lassen. Er betrachtet die umliegende Landschaft, die allgemein verständlich gesprichen aus ihrer gedachten Ruhe erwacht, was so natürlich in keiner Weise stimmt. Die Natur schläft nicht, nur die von uns gewohnten Teile zeihen sich in ihre Verstecke zurück, jenen Platz zu machen, welche in der Dunkelheit ihre ökologische Nische besetzen. Über den Bäumen und Felsen, die zwischen jenen herausragen, hat sich inzwischen ein orangefarbenes Licht gebildet, das den Sonnenaufgang ankündigt. Aus den umliegenden Häusern hört er erste Geräusche. Die Menschen ahnen, welche Temperaturen den kommenden Tag auf sie zukommen werden. Sie stehen früh zu erträglichen Konditionen auf und werden sich gegen Mittag für einige Stunden ins Bett oder auf die Couch zurückziehen, ein Schlümmerchen machen.  Dahindösend abwarten bis die Hitzegrade im erträglichen Bereich liegen. Er genießt diese Zeit der einfachen Betrachtung morgens. Nichts erwartet er, nichts wird von ihm erwartet. Sehend und wahrnehmend kann er den Gedanken jenen Freiraum geben, der nötig ist, wirkliche Freiheit zu fühlen, um diese in eine wie auch immer geartete innere Freiheit zu überführen. Langsam wird der Himmel blendend. Ein geradezu gleißendes Licht überfließt alles um ihn herum. Gleich wird die Sonne sich zum ersten Mal an diesem Tag zeigen. Die Tauben künden es mit ihrem Gegurre und zurückhaltenden Gerufe, die Hähne im Tal sowieso. Die haben sich allerdings schon mit dem ersten Aufhellen des Himmel gemeldet. Einige wenige andere Vögel sind zu hören. um diese Jahreszeit sind die Singvögel schon längst wieder leise. Die Jungen haben sie meistens schon durchgebracht, das Brutgeschäft ist beendet, niemand muss mehr sein Revier verteidigen, im Gegenteil, sie tun sich oft zu kleinen Schwärmen zusammen. Vielleicht wird noch eine Drossel ein zweites oder sogar drittes Gelege bebrüten, aber jetzt muss es nach dem Stress eigentlich wieder darum gehen, die Kräfte und Reserven für den kommenden Winter aufzubauen. Den Horizont kann er inzwischen nicht mehr betrachten, so intensiv leuchtet die korona der aufgehenden Sonne. Als die ersten Strahlen ihn treffen, muss er feststellen, dass die Temperaturen nicht wie erwartet sofort nach oben schnellen, aber die echten Schlagschatten sind da. Sie zeigen dem Licht, dass nichts folgenlos bleibt und werden von ihm selbst doch nie gesehen. Er legt sein Notizbuch zur Seite, geht in die winzige Urlaubswohnung und bereitet sich einen einfachen Kaffee zu. Zwei Löffel Pulver werden in der Tasse mit heißem, nicht mehr kochendem Wasser aufgegossen und umgerührt. Ein herrlicher Duft breitet sich schnell aus. Was aber gibt es Besseres; Ruhe, Wärme und eine Tasse Kaffee.

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