Losfahren

Er hätte es sich kaum vorstellen können, vor einigen Wochen noch, eigentlich auch nicht auf der Hinreise, die trotz eines immerwährenden Erinnerungsschmerzes in der linken Hüfte und demselbigen Bein, erfolgreich überstanden worden war. Einfach die Gewissheit, schon nachmittags am Urlaibsort zu sein, ließ ihn mit völliger Tiefenentspannung darüber hinwegsehen, dass die Fahrt, wie eigentlich schon vorher befürchtet so etwa achtunddreißig Minuten später begann, als sie es eigentlich ausgemacht hatten. Ja, sogar anderthalb Stunden nach seiner eigenen Planung, die vor Realität aber natürlich in keiner Weise irgendeinen Bestand hätte haben können. Wirklich nicht. Nachdem er also gegen halb vier aufgestanden war, ging es um zwanzig vor sechs in der Früh also tatsächlich los. Die Autofahrt hatte sich für ihn als Beifahrer in der ersten Hälfte als sehr angenehm herausgestellt, war doch immer wieder einmal der Schlaf über ihn hergefallen und hatte ihn für Minuten in andere Welten, den morphischen, getragen. (Das Land der Träume würde es jetzt in einschlägiger Literatur heißen, denkt sich der Erzähler noch, da geht es schon weiter, die wahre Landschaft saust an den Fenstern vorbei und irgendwann wird der Fahrerwechsel anstehen.) Das Selbstfahren in der zweiten Hälfte der zu absolvierenden Route gestaltete sich naturgemäß schon mühevoller, wegen der fehlenden Staus, die doch eigentlich unsere täglichen Begleiter der ach so mobilen Gesellschaft sind, war es insgesamt jedoch recht entspannt. Klar, er hatte sich daran zu gewöhnen, mit sechs Gängen zu fahren, daran, dass das Auto ihm das Schalten sogar vorschlug, daran, so tief zu sitzen. Aber es gibt solche Autos, an die man sich sofort gewöhnt, weil sie gut konstruiert wurden. Die letzten paar Meter mussten im völlig unbekannten Straßengewirr dann allerdings gesucht werden, alle Probleme allerdings kann man meistern, wenn man nur will. Fast hätte Herr Nipp sich selbst auf die Schulter geklopft, wenn ihm nicht noch gerade rechtzeitig aufgefallen wäre, dass ein solches Handeln in der und von der Öffentlichkeit als etwas albern wahrgenommen werden kann. Er ließ es also, suchte einen der raren Parkplätze und versuchte nach entern der Ferienresidenz ein halbwegs verständliches Gespräch mit dem Rezeptionisten, was den im Französischen verahrrenden Mann auf der anderen Seite wenig erfreute. Vielleicht ist Frankreich das einzige Land dieser Welt, in dem die Rezeptionisten nur die Heimatsprache sprechen. Haben Sie, werter Leser, schon einmal versucht, mit einem ixbeliebigen Franzosen und Gesräch auf Englisch zu führen? Nein? Verständlich, es geht auch nicht. Die Grandnation spricht Grandnational. Und ja, versuchen sie es, jeglicher Slapstick ist vorprogrammiert. Wer nach frankreich fährt,muss der Landessprache mächtig sein oder wie Herr Nipp völlig stur. Wer weiß, vielleicht müssen Franzosen in der Schule auch gar keine Fremdsprache lernen, das erklärte zumindest so einiges. Mit etwas Mut zur falschen Aussprache und Talent zur großen Geste kann der Reisende sich aber letztlich mit jedem Menschen irgendwie verständigen, egal ob in Frankreich oder Obervolta.

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