Pädagogenalp (Variation)

Eine liebe Klasse, also eine wirklich liebe Klasse, so wie man sich die beste und liebste Klasse vorzustellen vermag, zur Vertretung übernehmen. Der Kollege ist wahrscheinlich krank, auf jeden Fall nicht da, ja, Vertretungsunterricht der alten Schule, sinnentleert. Absitzen.
Nur dieses Mal nicht.
Die Stunde wurde vorausschauend vorbereitet, guter Lehrer, der alle Eventualitäten bereits bedacht hat, jetzt würde nichts mehr schiefgehen. Der Vertreter hat sich auf seinem Platz ganz gemütlich positioniert, hat Posten bezogen, seinen Tischrechner gezückt, der aufgeklappt natürlich sofort anspringt. Jetzt könnte er in aller Ruhe Noten machen, wie das im Lehrerjargon nunmal heißt, und das hat entgegen der Vorurteile von Schülern wirklich nichts mit Zufall oder Würfeln zu tun, das ist, hat dafür kein Programm, harte Arbeit. Die Verläufe der diversen Stunden müssen abgeglichen werden, die Progression ersehen. Natürlich albert er ein wenig mit den netten Kindern der ersten Reihe herum. Alles locker, alles läuft.
Plötzlich öffnet sich die Tür.
Eine amtliche Prüfungskommission schreitet erhaben lächelnd in den Klassenraum, sucht sich freie Plätze. Dieser Tage sind die Klassen auf 27 Kinder geschrumpft, jedoch noch immer für 32 eingerichtet. Also finden sich immer fünf freie Stühle und Tische. Die Kinder sind mehr als leicht irritiert, als die Herr- und Damschaften ihre Materialien auspacken und beginnen, in irgendwelchen Tabellen Haken, Kreuze, Punkte und kurze Notizen zu machen. Sie wirken wie aus der Zeit geworfene Ursupatoren. Die Frau mit der offenscheinlich größten Kompetenz oder Macht, die kleidungstechnische Vorsitzende: „Wollen nur mal sehen, was sie so machen.“ Sie setzt sich zu den anderen. Die unwissenden Kinder fühlen sich gestört.  Immerhin arbeiten alle weiter, wenn auch irritierten Blickes. Der Lehrer übernimmt die Rolle des Moderators, er eilt von einer Arbeitsgruppe zur nächsten, gibt sich bemüht. Das sieht nach kooperativem Unterricht aus, das ist gewollt. Dann eben keine Noten. Dafür ist die Kommision zufrieden. Schulische Qualitätsanalyse 2017.

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