Gemüse

Sie hatte ihm einen Gemüsekuchen gebacken, mit viel Liebe versteht sich. Salz und Pfeffer auch. Mit Zucchini und Möhren, mit Lauch und Zwiebeln, etwas Steckrübe. Leider hatte sie am vorigen Tag die Möhren draußen liegen lassen. „Die waren knüppelhart, ganz gefroren.“  Also nicht so viel davon, zu anstrengend sie sorgfältig zu schälen. Außerdem kriegt man kalte Finger davon. Abgerundet mit etwas Sellerieknolle. Eine Käse-Ei-Sauce darüber gegossen und unten drunter Hefeteig. Man kann sich diese mit Muskat und Gemüsebrühe abgeschmeckte Köstlichkeit schon vorstellen. Ein Bild, um hier nicht die abgestandene und ausgelaugte Metapher des Gedichtes bemühen zu müssen. Wer liest noch diese sprachlichen Verdichtungen freiwillig? Ausmalen geht mit Bildern auch viel besser  – als mit Lyrik versteht sich.

Der Tisch war wunderschön gedeckt, zwischen den Tellern romantisch anmutende Blumendekorationen und Kerzen aus duftendem Bienenwachs. Auch das gute Silberbesteck ihrer Großmutter hatte sie gedeckt und tatsächlich Stoffservietten gefunden, die man sonst nur noch aus gehobener Gastronomie kennt. Wer um das Bügeln weiß, der hat eine Ahnung, warum im privaten Kreis die Papierserviette genutzt wird, die inzwischen ja auch zu verschiedenen Anlässen entsprechend dekoriert ist. Im Dekantierer leuchtete der geatmete Wein rubinrot – es würde Dunkelfelder von der Nahe geben. Ein nicht so häufig getrunkener Tropfen, der von einem erfahrenen Winzer stammte, welcher die ganz eigenen Geschmacksnoten dieser Traube herauszukitzeln verstand. Nicht zu verwechseln mit dem allseits zu habenden Dornfelder, der diese geschmackliche Tiefe und Vielfalt natürlich nicht annähernd erreicht. Schon immer hatte Herr Nipp es geschätzt, wenn er solche Weine entdeckte, die es nicht an jeder Ecke gab. Die sich manchmal als Neuzüchtungen herausstellten, meist aber als alte wiederentdeckte Sorten. In Südtirol war es der Blatterle gewesen, der ihn mit seiner frechen Note sofort begeistert hatte. Echte Weißweinspritzigkeit, vielleicht vergleichbar mit dem Elbling. Aber natürlich ging es nicht darum, es reichte einfach, wenn es guten Wein zu trinken gab oder manchmal auch sehr guten. Dieses Gefühl, einen guten Tropfen zu genießen. Dann war es letztlich auch egal, wie der hieß. Das Atmen des Weines ließ auch dieses Mal den verführerischen Duft von Beeren und vielleicht sogar Vanille über den Tisch wehen. Aber letztlich versuchte er sich lediglich an Vergleichen, um später besser beschrieben zu können, was er da getrunken hatte. Es lief ihm im Mund zusammen. Probeweise schenkte er sich auf das Essen wartend zweieinhalb Finger breit ein.

Dann der große Moment, der Kuchen wurde aus dem heißen Backofen geholt, mit zwei dicken Handschuhen zum fast feierlich zum Tisch getragen. Der Raum wurde unter der nächsten Duftwolke fast erdrückt. Sie zückte das große Küchenmesser mit dem schwarzen Griff, dem Stahl aus Solingen. Sie schnitt das erste, das zweite Stück heraus und platzierte sie auf die Teller, die mit Öl, Balsamessig, frischen Sprossen und einigen Sesamkörner verziert waren. Erst sehr reserviert, dann forscher, schließlich mit Heißhunger fielen die beiden über den Kuchen her. Zwischendurch gläserweise Wein. „Hm.“ „Lecker.“ …und manchmal auch leichtes Schmatzen. Vergessen all die romantische Kultur.

 

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