Dann lieber nicht

Er hatte sich so gefreut, dass dieser Tag endlich dem Ende zuging. Gearbeitet hatte er seit früh morgens und die Nacht davor war auch nicht gerade ruhig gewesen. Immer dann, wenn man eigentlich Ruhe nötig hat, dachte er, müssen die Blagen von nebenan im Garten Feuer machen und verstehen einfach nicht, dass es irgendwann nachts einfach unerträglich wird, wenn sie in tosend wieherndes Gebrüll  und Gelächter ausbrechen und vor allem diese kieksigen Mädchenstimmen konnten da den letzten Nerv rauben, auch wenn er sie sonst eigentlich mochte. Nicht diese Stimmen, die recht netten Mädchen, die ihm sogar meist wohlerzogen erschienen. Aber was ist schon eigentlich? Eigentlich ist eigentlich nur eigentlich. Der Nachbarsjunge hatte fast jeden Abend eine ganze Combo von Jugendlichen um sich versammelt, die machten ihre elektronische Musik und Lagerfeuer, tranken Bier und Wein und manchmal verpesteten sie die Luft mit dem süßlichen Gestank von aromatisiertem Shisha-Tabak. Immer ging es bunt zu. Mal lauter, mal viel zu laut. Der wummernde Rhythmus der Bässe als ständige Drohung in den Ohren oder als Zittern in den Wänden. Ja, dieser Tag war endlich zu Ende, endlich nicht mehr arbeiten, endlich mal den Chef einen wie auch immer gearteten Mann sein lassen. Keine unbezahlte Überstunde, die dann auch noch mit einem hämischen Kommentar versehen wurde. Und die Jugendlichen waren ein paar Häuser weiter gezogen, feierten sich dort. Diese Unbeschwertheit hat man vielleicht nur einmal im Leben. Nichts bisher geleistet zu haben und trotzdem keine Zeit. Manchmal war Herr Nipp schon ein wenig neidisch auf die Jugendlichen, die ihm ihre Überlegenheit auch ganz unverblümt und fast naiv zeigten.

Als Herr Nipp sich gerade in den Garten gesetzt, gerade die Flasche guten französischen Wein geöffnet hatte, gerade seine Selbstgedrehte in den Mund steckte und gerade sein kunstvoll belegtes Mischbrot daneben legte, rauschte eine ganze Schar mittlerer schwarzer Vögel heran, strich kurz über seinen Kopf und rauschte wieder ab. Gefolgt von einer Schar Tauben, jenen Friedensbringern und Botschaftsvermittlern, die schon in der Bibel gelobt werden. Welch ein friedliches Bild. Solche Idylle nach der getanen Arbeit. Offenbar hatten letztere aber nichts Besseres zu tun als sich über ihm zu erleichtern. Dann lieber nicht draußen sitzen.

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