Welten

Ob er eine Welt erschaffen könne in Gedanken, ein neues Utopia eventuell, jene Welt, die wir suchen und wissen, dass sie nicht möglich ist, da es ideale Gesellschaften nicht gibt, denn wo Licht, da ist auch Schatten, unweigerlich, so könnte es angesichts der kritischen, der selbstkritischen Haltung, die er sich über die Jahre, ja, Jahrzehnte gar, angewöhnt hatte, eventuell eher ein Dystopia sei, eine Endzeitvorstellung untergegangener Zivilisation, in welcher die Idee einer säkularisierten Gesellschaft aufegeben wäre zugunsten eines wie auch immer gearteten monotheistischen, eines absolutistischen Weltbildes, eine Rückfindung mittelalterlicher Strukturen mit vertauschten Rollen, einer Menschheit anvertraut, die ihrer eigenen Vernunft nicht mehr vertraut, die ihrer eigenen Vernunft nichts zutraut, die gedachte Freiheit aufgegeben zugunsten einer schlüssigen Sicherheit, einer, die auch strafen kann und will, konnte er eine solche neue Welt mit der Kraft losgelöster Gedanken entwickeln, wenn er sich in diesen engen Mauern befand, von welchen er das Gefühl hatte, unweigerlich haben musste, dass sie ihn mit aller Gewalt, mit aller ihnen zur Verfügung stehenden Macht, aber auch noch weit darüber hinausgehend, was schon daran zweifelhaft erkennbar war, dass sie zu pulsieren schienen in dieser fiebrigen Situation, seinen Atem, seinen Herzschlag imitierend und sich in seinem Körper auszubreiten drohten als hätten sie sein innerstes Wesen nicht nur erfasst, sondern längst bis in die letzte Faser seines Denkens und Strebens verstanden, das war es, was ihm gerade durch den Kopf ging, als er so bewegunslos auf seinem hölzernen Stuhl saß, festsaß und auf den langsam erkalteten Kaffee starrte, eine Lösung suchen müssend, die inneren Leerstellen seines Seins einerseits zu besetzen, aber auch andererseits jene Fragestellungen dieser Gesellschaft und noch wichtiger der literarischen Prozesse zu hinterfragen, sich eine individuelle Mythologie der Hoffnung zu geben, ohne die Offenheit zu vergrängen, dass auch die Einengung der Freiheit möglich wäre, also den Gedanken an jene beschriebene Dystopie doch nicht erbarmungslos zu verwerfen, dem Schein des Lichtes aber vorzugsweise zu folgen, diesem Leuchten entgegen, die Kraft des zurückschlagenden Pendels aufzunehmen, welches sich stetig immer weiter vom Ursprung des erwarteten Seins, seiner unerwarteten, doch erwarteten Zukunft und der Einheit mit der Gesellschaft entfernte.

Hatte er da etwas ausgelassen? Er griff entschlossen seine Tasse, hob sie zum Mund und musste feststellen, dass der Kaffee trotz der einsetzenden Kühle noch immer schmeckte.

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