Flucht

Kurz hatte sich Herr Nipp an den Tisch gesetzt. Kurz hatte er den Rechner angemacht. Kurz hatte er auf diese, auf jene Seite geschaut, sich teilweise festgelesen. Kurz auch eben bei youtube einige Trailer angeschaut. Der Nachmittag war noch jung.

Ja, natürlich wusste er durchaus, was noch alles anlag. Die Wäsche wollte noch aus der Maschine geholt und aufgehangen werden oder heißt es gehängt? Ja, da lagen noch all die Rechnungen herum, die unbedingt endlich mal überwiesen werden mussten. Auch einige Daueraufträge mussten endlich eingerichtet sein. Der Anruf bei seiner Tante stand noch an. Der Putz in der Küche und der Abwasch sowieso. Die Steuerberaterin hatte sich auch schon gemeldet, weil sie noch irgendwelche Belege benötigte. Außerdem war fast gar nichts mehr im Kühlschrank, nur noch ein Joghurt, der schon seit einiger Zeit abgelaufen sein mochte. Er hatte sich auch einige Arbeit mit nach Hause genommen, die er dringend zu erledigen hatte. Schriftstücke zum Durchsehen und Korrigieren. Für den Kaminofen fehlte noch Holz im Schoss und wenn er nicht endlich die Steine abholen würde, dann würde dies sicherlich jemand anderes tun. Die Fensterbank hatte sich in den letzten Wochen wieder einmal bedenklich gefüllt, neben Stiften türmten sich dort diverse Zeitschriften, Bücher und Schriftstücke. Dazwischen würde er auch das seit einiger Zeit schmerzlich vermisste große Küchenmesser wieder finden. Außerdem brauchte er Klebstoff und neues Papier für den Drucker. 120 Gramm sollte es schon haben. Vom letzten Wochenende lagen noch zwei bei ikea erworbene LED – Leuchten in der Ecke herum, die den Flur und das Schlafzimmer mit sparsamem Licht illuminieren sollten.

Eben noch eine viertel Stunde entspannen, dann würde er mit vollem Elan beginnen.

Der Blick auf seine zu Weihnachten geschenkt bekommene Küchenuhr ließ ihn verzweifeln, jetzt war es schon wieder fast acht Uhr und der Tag war fast vorbei. Die Zeit hatte mal wieder ihre übliche Flucht ergriffen, die er schon seit den frühesten Tagen seiner Kindheit beobachten musste. Sie verläuft nicht gleich und schon gar nicht linear, aber das wusste Herr Nipp ja schon länger.

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