Pilzgericht

Wenn Herr Nipp im Herbst durch die Wälder des Sauerlandes streift, dann kann man ihn mit gesenktem Kopf beobachten. Er hat eine Tasche aus Stoff in der einen Hand, in der anderen ein Küchenmesser mit schwarzem Griff, vielleicht auch manchmal einen Korb, aber das kommt eher selten vor.

In Faszination verfällt er, wenn Hexenringe mit hunderten von violett-gräulichen fremdartigen Fruchtkörpern den Wald zieren. In völlige Begeisterung allerdings, wenn er an den halb verrotteten Baumstämmen verschiedenste Schwämme und Hutträger findet. Dann muss er an seinen Vater denken, der diese Wunder der Wucherung im Herbst sammelte, um daraus und aus gesäuberten Wurzeln Krippen für Weihnachten zu bauen. Am besten eigneten sich dafür wohl Zunderschwämme.

Die behalten beim Trocknen ihre Form. Getrockentes Moos diente dann als Grund, auch um die vielen gebrochenen Beine der Figuren zu kaschieren. Herr Nipp allerdings sammelt diese Pilze nicht, kann sich an ihrem natürlichen Erscheinungsbild erfreuen, wird sie wahrscheinlich mit der Digitalkamera aufnehmen und virtuell nach Hause tragen.

Geradezu in Ekstase kann er beim Anblick leckerer Schwammerln geraten, freut sich dann auf das Nachhausekommen, wird die Beute dort säubern und zerkleinern. Dann wird in der schmiedeeisernen Pfanne sogenannte GUTE BUTTER zerlassen und die Waldzersetzer werden scharf mit Zwiebeln angebraten. Gewürzt mit Salz und Rosmarin ein Gedicht. Aber wer weiß schon, wie das ist, denn kaum noch jemand liest heute freiwillig Gedichte. Zwar erreicht das Internet eine gewaltige Gedichteschwemme, weil ein Jeder und vor allem eine JEDE meint, er und vor allem Sie könne Sprache verdichten und müsse unbedingt seine und vor allem ihre Ergüsse der Öffentlichkeit kundtun, aber das heißt noch gar nicht, sie würden auch gelesen. Wenn man sich in den dazu eingerichteten Foren umtut, wird man sich mit großer Wahrscheinlichkeit mit Grausen abwenden und zu einem Band mit dem Titel „Die schönsten deutschen Gedichte aus tausend Jahren“ oder einer ähnlichen Sammlung greifen. Dort kann man sich dann von den Schrecknissen fahler Wortkonstrukte und abgeschmackter wie ausgelutscher Metaphern erholen. Man muss ja nur diesen Blog hier lesen und weiß, dass das Netz viel Trash bereit hält. Dabei wird der Schreiber dieser Seite  sicher nicht Herrn Nipps Gedichte veröffentlichen, die Zugriffsraten würden augenblicklich drastisch in den Keller gehen.

Dazu Bratkartoffeln, vielleicht noch eine leckere leichte kalte Quarktunke mit Kräutern. Gut abgeschmeckt, nicht abgeschmackt wie die Gedichte. Und man wird ihn glücklich sehen. Und das kommt nicht immer vor.

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